„Schatz, wo wir doch schon mal in die Gegend kommen… „

„Wir könnten den Jungs mal den höchsten Berg Deutschlands zeigen. Da fährt auch eine Gondel hoch. Wir treffen uns dann dort oben. Ich nehme dann den, ähmm, Klettersteig…“

So begann die Geschichte wohl vor einigen Wochen, als sich bei der Urlaubsplanung für dieses Sommer so etwas wie eine Route ergab.

Und nun war es soweit. Ein kleiner Abstecher führte uns nach Garmisch auf einen Zeltplatz am Ufer der Loisach, den ich von früher kannte. Damals war es November, die Zelte waren morgens gefroren und wir auf der Suche nach paddelbarem Wasser.

Dieses Mal jedoch richtete sich der Blick nicht ins Tal sondern gen Himmel – dort wo die Antennen der Platform auf der Zugspitze winken.

Das Wetter ist perfekt. Seit Tagen schon haben wir strahlend blauen Himmel und Temperaturen jenseits der 30°C. Doch das Gewitterrisiko steigt. Ein Blick auf das Bergwetter des DAV lässt mich spontan werden. Anstelle noch einen Tag zu warten, wird der Aufstieg direkt auf den nächsten Tag vorverlegt.

Richtung Höllental

Startpunkt soll Hammersbach sein. Das bedeutet einen Aufstieg von 2200 Höhenmetern! „Ein Klassiker“ – liest man. Ein Klassiker, der zwar anstrengend ist, dafür jedoch mit unheimlig viel Abwechslung aufwartet.

Der Wecker wird auf 04:00 Uhr gestellt. Minuten vorher bin ich bereits wach, schlüpfe in die Klamotten  und klaube die restliche Ausrüstung im Vorzelt zusammen. Jetzt noch schnell die Trinkblase füllen… Mist, der Verschluss des Trinksystems liegt zuhause im Keller. Wie gut, dass wir 1,5 l PET Wasserflaschen im Zelt haben.

Kurz nach halb fünf bin ich auf dem Parkplatz in Hammersbach und frühstücke. Eine Kopflampe mit zugehörigem Frühaufsteher tanzt schon über den Platz. Es werden noch mehr. Pünktlich um 5:00 Uhr bin auch ich abmarschbereit und mache mich auf den Weg.

Die Höllentalklammhütte – morgens um sechs geschlossen

Nach einer Stunde erreiche ich den Eingang der Höllentalklamm. Zu dieser frühen Stunde ist das Kassenhäuschen nicht besetzt, das Drehkreuz ist frei und man betritt die Klamm. Viel sieht man nicht, es ist noch zu dunkel. Doch man kann die Wildheit und den Reiz der engen Schlucht erahnen. In den engen Tunneln schnaufen zwei andere Bergfexe an mir vorbei. Meine Güte, denke ich – die essen wohl zeitig.

Gegen 6:40 Uhr erreiche ich die Höllentalangerhütte und gönne mir eine Pause. Andere Teams starten von der Hütte und legen gerade ihr Geraffel an. Alleine werde ich im Klettersteig ganz sicher nicht sein. Von hier kann man gut einen Blick auf die Zugspitze erhaschen.

An der Höllentalangerhütte

Der Weg durch den Höllentalanger zieht sich etwas – und bei jedem Blick hat man die Zugspitze hoch oben im Visier.

Der erste Klettersteig

Dann kommt der erste Klettersteig. Und der erste Stau. Profis und Leute, die es eilig haben ziehen bei erster Gelegenheit an den Anfängern vorbei. Dann die Schlüsselstelle – das Brett. Man tänzelt an einer glatten Wand auf Metallstiften über dem Abgrund.  Hmm, da hatte ich aber mehr erwartet. Anderen geht es wohl auch so.

„Die Wand“ im ersten Klettersteig

Nach kurzer Zeit klinkt man sich wieder aus und hat den ersten Klettersteig hinter sich. Nun folgt ein Geröllfeld, welches kein Ende zu nehmen scheint. In unmittelbarer Nähe des Geocaches pausiert eine Gruppe Muggels. Ich gehe vorbei, ohne zu suchen.

Durch das Geröllfeld zum Gletscher

Irgendwann taucht der Gletscher auf. Zeit für eine Pause und einen Power Bar.

In allen mir bekannten Beschreibungen des Klettersteiges steht, dass für die Überwindung des Gletschers Steigeisen empfohlen werden. Besonders im Sommer, wenn die Schneedecke des Winters abgeschmolzen ist und das blanke Eis freigibt. Der Gletscher sei aper, sagt man dann. Dennoch kann man Leute beobachten, die es ohne Steigeisen versuchen. Einer von ihnen kehrt um und versucht es auf der anderen Seite des Gletschers. Andere quälen sich dennoch hoch und kommen den offenen Spalten recht nahe. Unverständnis bei denen, die die Szenerie beobachten.

Auf dem Gletscher

Der Gletscher wird in einem eleganten Schlenker übers Eis begangen, vorbei an doch recht beeindruckenden Spalten. Im unteren und oberen Bereich ist das Eis recht matschig, im Mittelteil fest und rutschig. Die Randkluft zur Felswand, zu dieser Jahreszeit eine vermeintliche Kernstelle, entpuppt sich als harmlos. Ein grosser Schritt und ein beherzter Griff ins Stahlseil und ich bin im Klettersteig. Auch hier sieht man Klettersteiggeher wie an einer Perlenkette aufgereiht. Einer von ihnen geht den Klettersteig mit Steigeisen an den Schuhen und Trekkingstöcken an. Kopfschütteln bei allen anderen.

Wie eine Perlenkette

Jetzt gilt es , ordentlich Höhenmeter zu machen. Hoch oben sieht man die Platform der Zugspitze. Der Klettersteig ist gut versichert und lässt sich gut begehen. Spektakulär ist hier nicht der Steig sondern das Drumherum. Der Blick zurück gefällt mir, zurück ins Höllental, wo das Dach der Höllentalangerhütte so langsam in den Fokus der Sonne gerät.

Blick zurück ins Höllental

Jetzt rächt sich, dass ich die Trinkblase im Rucksack nicht nutzen kann. Der Klettersteig liegt grösstenteils in der Sonne und so langsam komme ich mir vor wie eine Backpflaume. Ich muss Trinkpausen einlegen. Die drei Liter Wasser, die ich mitgenommen habe sind kurz unter dem Gipfel alle. Pausenplätze gibt es zur Genüge, doch Pausenplätze im Schatten sind selten.

Kurz unterhalb des Gipfels gibt der Grat einen spektakulären Blick auf den Eibsee frei. Jetzt in einen kühlen See springen – das wäre etwas!

Der wundervolle Eibsee

Dann bin ich oben. Es ist 13:30 Uhr.

Oben!

Ich war zu schnell. Frau und Kinder steigen gerade in Eibsee in die Gondel, um hinaufzufahren. Die Zeit nutze ich und verbleibe noch ein wenig in der Nähe des Kreuzes. Gut gesichert kann man hier ganz entspannt Leute beobachten. Es gibt ja diese Klischees der Zugspitze von Kletterern in vollem Ornat und Turnschuhe tragenden Besuchern, die sich am Gipfelkreuz treffen. Sie sind alle wahr!

Deutschlands höchster Biergarten

Annerkennende und mitleidige Blicke treffen die Klettersteiggeher. Einer fragt, ob es denn nicht super frustrierend sei, wenn man sich über Stunden hochkämpft und oben Leute trifft, die innerhalb von 20 Minuten hochgefahren sind.

Die Antwort?

Nein, ganz bestimmt nicht! Ihr habt ja keine Ahnung, was Ihr verpasst habt!