Irgendwann musste dieser Tag ja mal kommen, an dem wir am offiziellen Ende des Eifelsteigs in Trier ankommen würden. Und nun? Soll ich jetzt eine Rede halten oder so? Ach was, auf gehts zum bayrischen Restaurant, Haxe essen!
Doch der Reihe nach!
Nachdem wir im vergangenen Jahr die Etappe im Kloster Himmerod beendet hatten und bei einem leckeren Klosterbier saßen, sannen wir schon ein wenig über die letzten Etappen des Eifelsteigs nach. Zwei Ideen waren schnell geboren. Erstens würden wir am Vorabend anreisen und die Nacht im Kloster verbringen, um am nächsten Tag direkt durchzustarten. Und zweitens würden wir einen Tag zusätzlich frei nehmen, um die letzten drei „offiziellen“ Etappen in einem Rutsch gehen zu können. Wir stiessen an und der Plan war besiegelt.
Mittlerweile bedarf es keiner großen Absprachen mehr zwischen uns. Mit einer Mail wurde das Wochenende festgelegt und mit einer zweiten, wer welche Kocher und Shelter mitbringt. Zudem wollten wir in diesem Jahr die Fahrerei vermeiden und mit dem Zug zum Ausgangspunkt zurückkehren.
Gesagt, getan. Es ist der zweite Donnerstag im Februar 2016 gegen Abend und wir sind auf dem Weg in Richtung Eifel. Im Auto steigt die Vorfreude auf ein deftiges Abendmahl im Klosterrestaurant, bis jemand auf die Idee kommt, mal nach den Öffnungszeiten zu schauen, da Mönche ja doch eher früh im Schlafgemach verschwinden. Und siehe da – das wird nichts mehr. Das Essen im Kloster können wir uns von der Backe putzen. Bleibt der Grieche am Bahnhof in Wittlich, wo wir die Autos stehen lassen. Das Essen ist lecker und es gibt Weissbier.
Irgendwann müssen wir uns aber doch auf den Weg in Richtung Kloster machen und zwängen uns alle in das Auto von Robert. Das Kloster liegt bereits im Tiefschlaf, als wir ankommen. Selbst die Tür, hinter der sich die Schlüssel zu unseren Zimmern befinden sollen, ist verschlossen. So richtig ist unserer Tagesablauf nicht ans klösterliche Leben angepasst. Robert greift tief in die Trickkiste und siehe da, ein Fenster öffnet sich und eine nette Dame öffnet uns.
Das Haus ist hellhörig und die Zimmer kalt, dennoch schlafe ich unter dem dicken Federbett tief und fest. Am nächsten Morgen sind wir ehrlich gesagt ein wenig unsicher, wie der Start in den Tag im Kloster so abläuft. Was wir sehen, ist die kleine Kapelle in unserem Flügel, wo zu einer Meditation geladen wird. Warum eigentlich nicht?
Die ersten Worte des Bruders lassen mich innerlich jubeln, denn sie passen wie die Faust aufs Auge auf unsere bevorstehende Wanderung – „Herr, lass mich langsamer gehen…“.
Beim Frühstück sieht Robert reichlich geknickt aus, er hat Probleme mit der Schulter. Für ihn ist die Tour bereits beendet bevor sie richtig begonnen hat. Schade, dass er nicht auf dieser letzten Etappe dabei ist, aber mit der Schulter macht es gar keinen Sinn. Auf dem Parkplatz sortieren wir die Ausrüstung um.
Schliesslich stapfen wir los.
Die vergangenen Tage und Wochen waren so gar nicht winterlich, eher grau und regnerisch. Entsprechend sieht die Landschaft aus. Pfützen und Matsch wohin man auch blickt. Der Weg führt uns den ganzen Tag mehr oder weniger dicht am Flüsschen Salm entlang. Eigentlich eine ganz nette Gegend, teilweise führt der Eifelsteig hier über schmale Pfade, dann wieder über breite Wege – wären diese nur nicht so aufgeweicht und teilweise durch umgestürzte Bäume blockiert, so dass wir uns mühsam durchs Geäst wühlen. Zumindest ist es heute trocken und wir wollen uns nicht beklagen.
Am Nachmittag kommt ein wenig die Sonne heraus und wir geniessen ihre Strahlen. Der Eifelsteig führt immer noch angenehm durch die Natur und streift Ortschaften nur am Rande.
Irgendwann gegen Abend wird es Zeit, einen Schlafplatz zu suchen, doch so einfach ist das hier nicht. Die Weiden sind eingezäunt, in Sichtweite der Dörfer wollen wir das Shelter nicht aufschlagen und ansonsten gibt es hier nur Wald. Nach einiger Sucherei und insgesamt ca. 32 Kilometern in den Beinen haben wir eine Art Lichtung gefunden, gross genug für das Shelter und halbwegs eben. Nachdem die Hütte steht, starten wir mit dem Abendessen. Auch der obligatorische Glühwein wird wieder aufgetischt. Moment mal, da fehlt doch ein Liter! Stimmt, den hatte Robert im Rucksack. Wir vermissen ihn. Also den Robert.
Bevor die Kälte zu tief in die Knochen kriecht, tun wir das selbe in die Schlafsäcke. Zu sechst im Shelter – das wird kuschelig. Und naß! Dass es auch laut wird, merke ich trotz Ohrstopfen Stunden später. Drei der Kollegen schnarchen um die Wette, als wenn sie ein Musical aufführen wollten. Doch noch bevor ich mein Telefon für die Beweisaufnahme aus dem Schlafsack befreien kann, hört der Spuk auf. Von nun an schnarchen die drei abwechselnd.
Abgesehen davon habe ich ganz gut geschlafen. Gegen Morgen dringen Niederschlagsgeräusche ins Shelter. Doch es handelt sich zum Glück nur um einen kurzen Eisregen, der recht bald vorbei ist. Ich liege ganz außen am Rand und angesichts des Kondenswassers auf der Innenseite des Shelters warte ich lieber, bis die lieben Kollegen aufgestanden sind, bevor ich mich in die Mitte rolle und schliesslich auch aufstehe.
Es folgt das übliche Morgenritual: Katzenwäsche, sehnsüchtiges Warten auf heisses Wasser für den Kaffee und eine Kleinigkeit frühstücken. Danach die Ausrüstung verstauen und den Platz so hinterlassen, wie wir ihn vorgefunden haben. Das Shelter wiegt mit all der Feuchtigkeit nun deutlich mehr und ich habe jetzt schon keine Lust mehr, das nasse Ding am Abend wieder aufzubauen.
Leichter Raureif bedeckt den Boden ringsherum. Es scheint kälter zu sein, als gestern. Windiger ist es definitiv. Der Weg führt zunächst weiter durch Wälder, bis wir schliesslich den Ort Zemmer erreichen. Der Wanderführer spricht von einer Abkürzung durch den Ort. Aber das Wort „Abkürzung“ ist uns fremd und so halten wir uns an die offiziellen Markierungen. Diese führen bald aus dem Wald heraus und wir sehen den Aussichtsturm von Rodt vor uns. In ca. 393 Metern Höhe soll man in Richtung Süden bis hinüber in den Hunsrück schauen können, aber uns steht der Sinn eher nach Einkehr. Und so wenden wir uns gen Rodt, suchen und finden eine Lokalität und lassen uns Pils und Schnitzel schmecken.
Während wir es uns drinnen gut gehen lassen, setzt draussen der angekündigte Regen ein. Damit haben wir aber gerechnet und werfen uns, bevor wir weitergehen, in entsprechend schützende Schichten.
Kurz hinter Rodt verschwindet der Eifelsteig wieder im Wald und führt hinunter ins Tal der Kyll. Den Fluss kenne ich auch noch aus alten Paddel-Zeiten. Der Weg ist wieder einmal recht abwechslungsreich. Mal führt er einfach über eine Weide, dann wieder über eine asphaltierte Strasse entlang einer Bahnstrecke. Doch bevor es zu eintönig wird, biegen wir rechts in einen Pfad ein, der steil den Hang hinauf führt. Wenig später erreichen wir ein Aussichtsplateau, von wo man einen netten Blick auf Kordel geniessen kann.
Eine kleine Schleife des Weges führt nun an Bundsandsteinfelsen vorbei und die Kletterer unter uns suchen fast automatisch nach Bohrhaken. Es gibt hier auch Höhlen und Vorsprünge, die zum Biwakieren einladen. Besonders gefällt mir, dass die Höhlen teilweise weit auseinander liegen, so dass man die Schnarcher unter uns ausquartieren könnte. Doch wir entscheiden uns basisdemokratisch, weiterzulaufen und unser Glück hinter Kordel zu versuchen.
Die Burg Ramstein sehen wir nur aus der Ferne. Es regnet noch immer und so langsam setzt die Dämmerung ein. Das wir uns jetzt auf dem Römerpfad und damit auf einem der Highlights des gesamten Eifelsteigs befinden, ist uns nun herzlich egal. Trotzdem schauen wir uns natürlich die sogenannten Putzlöcher an, wo bereits in der Antike Erze und Steine abgebaut wurden.
Biwak in der Höhle
Unser Ziel ist die Klausenhöhle, die wir nach 28 Kilometern im letzten Büchsenlicht erreichen. Hier haben früher Eremiten gelebt und der in den Stein gehauene Schlafraum in der „zweiten Etage“ lädt zum Biwakieren ein. Es ist trocken, wir haben Platz und entsprechend gut haben wir geschlafen.
Am nächsten Morgen regnet es nicht mehr und der Wetterbericht vermeldet, dass es auch durchaus so bleiben würde. Nach dem üblichen Frühstück begeben wir uns nun also auf die letzte Etappe des Eifelsteigs. Auf geht es nach Trier.
Zunächst führt der Weg durch den Wald, vorbei an der Genovevahöhle. Wir sind uns einig, dass „unsere“ Höhle zum Biwakieren besser geeignet war. Erschreckend ist immer wieder, dass Mitmenschen es nicht schaffen, ihren Müll wieder mitzunehmen und ordentlich zu entsorgen.
Irgendwann kommen wir an die Abbruchkante des Moseltals und sehen Trier zu unseren Füssen liegen. Eine ganze Weile geht es nun hoch oben am Zaun entlang, bis wir hinter dem Weisshaus einen Wanderparkplatz mit dem offiziellen Start oder eben Ende des Eifelsteigs erreichen.
Kleine Anekdote am Rande: Ich bitte zwei englisch sprechende Damen auf dem Parkplatz, ein Foto von uns vor der Karte zu machen. Sie fragt interessiert, wo wir denn gestartet seien. Wahrheitsgemäß zeigen wir auf Monschau und sagen „Hier. Vor sechs Jahren!“ Auf ihr ungläubiges Staunen hin ergänzen wir: „Jeweils ein Wochenende im Februar.“
Die Dame scheint sich auszukennen, denn erstens weiss sie, was Wanderer brauchen und zweitens kennt sie sich in Trier aus. Sie deutet auf das Zentrum von Trier und sagt: „Hier gibt es nur Kaffee und Kuchen. Geht hier hin, da ist ein bayrisches Restaurant, da gibts was ordentliches!“ Gesagt getan, wir lassen und Haxe und Weißbier schmecken.
Mit vollem Bauch und breitem Grinsen im Gesicht müssen wir uns nun aber sputen, um den nächsten Zug zu erreichen, der uns schliesslich zurück zu den Autos bringt.
Und nun? Da war doch noch etwas?
Stimmt! Uns fehlen noch die beiden Etappen vom Anfang – von Aachen-Kornelimünster bis nach Monschau. Die kommen dann nächsten Februar dran.