Ich gebe es ja zu, ich habe Vorurteile gehabt. Urlaub in Frankreich? Ohne auch nur ein Wort französisch zu sprechen ausser Baguette und Merci? Jetzt im Nachhinein bin ich froh, dass wir unsere ursprünglichen Pläne erst einmal geparkt haben und dem Ruf einer Familie aus dem Paddelverein gefolgt sind. Diese verbrachten nicht zum ersten Mal die Sommerferien in den französichen Seealpen und kannten sich dementsprechend aus. Ich weiss noch, wie ich meinte, dass wir auf gar keinen Fall drei Wochen bleiben würden, weil so lange würden wir nie an einem Fleck verweilen. Was soll ich schreiben? Ja, man kann mit gutem Willen und ohne Sprachkenntnisse einen fantastischen Urlaub in Frankreich verbringen und ja, wir blieben lange, denn die französischen Seealpen sind ein fantastischer Outdoor-Playground.

Im französischen Écrins-Massiv

Im französischen Écrins-Massiv – le glacier blanc

Unser Basecamp

Das Zelt haben wir auf dem Campingplatz „Le Iscles“ in der Nähe von Eygliers aufgeschlagen. Dabei handelt es sich um einen recht großen Platz am Ufer der Durance. Ein schmaler Streifen grenzt zudem direkt an den naheliegenden Badesee. Wer Glück hat oder rechtzeitig bucht, kann schön schattige Plätze unter Bäumen bekommen, der Rest muss mit der schattenlosen „Serengeti“ vorlieb nehmen.

Im Eingangsbereich gibt es neben der Rezeption auch eine Bar und Bistro, wo man leckere Pizza bekommen kann. Ferner gibt es eine weitere Pizzeria, einen Souvenirladen, einen kleinen Lebensmittelladen und einen Touranbieter für Outdoor-Action. Die Baguettes im Laden sind ok, im Ort gibt es aber welche, die leckerer sind.

Die Sanitäranlagen sind einfach gehalten und typisch französisch, nach ein paar Tagen hat man jedoch raus, auf welcher Keramik auch eine Klobrille steckt.

Wir hatten einen schönen Platz im Schatten, der durch Bäume gespendet wurde, die auch gute Fixpunkte für das Tarp boten. Und wie gesagt, wir blieben so lange, dass ich kurz davor stand, Gartenzwerge aufzustellen.

Der Paddelnachwuchs beim abendlichen Wellensurfen

Der Paddelnachwuchs beim abendlichen Wellensurfen

So, und nun genug des Vorgeplänkels. Kommen wir zu den Dingen, die man hier vorzüglich unternehmen kann und die das Herz eines Outdoor-Enthusiasten höher schlagen lassen.

Paddeln

Der Klassiker in der Gegend ist zweifellos die Durance, die aufgrund ihrer guten Wasserstände ganzjährig befahren werden kann. Also auch im Hochsommer, wenn andere Bäche eher zum Mountainbiken geeignet sind. Die Durance fliesst wie erwähnt direkt am Campingplatz vorbei und so bietet sich an, zum Beispiel beim Campingplatz einzusteigen und bis zur nächsten Slalomstrecke bei St. Clement zu paddeln. Das haben wir öfter getan.

An besagter Slalomstrecke kann man sich länger aufhalten, da man am Ende das Boot zu einem Pool hochträgt, von dort über eine Rutsche in einen Kanal gelangt und zum Einstieg wieder hoch paddeln kann. Sehr nett das Ganze.

In der Nähe befindet sich auch die Guil. Ebenfalls ein recht einfacher Bach, der auch von Anfängern befahren werden kann. Sehenswert ist hier allemal die Landschaft, da man teilweise an steilen Felswänden und darüber thronenden Festungen entlang paddelt.

Paddeln auf der Guil

Paddeln auf der Guil

Weiter die Durance flussauf finden sich noch zwei interessante Bäche, die wir gefahren sind. Da wären zum einen die Gyronde – ein netter Bach mit anfangs recht knackiger Verblockung. Mit ordentlich Zug geht es der Mündung in die Durance und der Slalomstrecke  bei Argentiere entgegen. Ein Wehr haben wir umtragen, da die Linie unsauber war und Jörg, der die Strecke kannte, glaubhaft versicherte, dass es an der Stelle wirklich anständig auf die Nase geben kann.

Der Bach, der mir gezeigt hat, wo der Frosch die Locken hat und wo somit meine aktuelle Komfortzone liegt, war die Waldschlucht der Guisane. Auf ca. 6 Kilometern weist die Guisane einen Schwierigkeitsgrad von IV(+) und ist damit schon recht knackig. Einmal musste ich rollen, dreimal haben wir umtragen und einmal habe ich Jörg vom Stein geborgen, wo er mit seinem Boot gestrandet war. Für Touren dieser Art, muss ich mir erst einmal die Kaltschnäuzigkeit wieder erarbeiten, die ich früher im Boot besessen habe.

Klettersteige

Man sagt, die Gegend um Briancon wäre die Wiege der französischen Sportklettersteige. Das muss ich jetzt mal so glauben. In die Gegend passen würde es allemal. Ein paar dieser eisernen Wege haben wir uns angeschaut.

Direkt in Briancon gibt es Croix de Toulouse. Vom Parkplatz gegenüber der Festung geht es zunächst über breite Wege zum Einstieg. Der Steig ist mit der Schwierigkeit C/D bewertet, wobei die D nur an einzelnen Stellen erreicht wird. Zwischendurch finden sich sogar Latsch-Passagen. Diesen Klettersteig sind Dietmar und ich mit den Kindern gegangen, denen der Steig gefallen hat, aber das knackigste war, was sie bisher begangen sind. Das tolle an dem Croix de Toulouse sind aber zweifellos die großartigen Blicke über Briancon mit seinen Festungen und der Altstadt.

Briancon vom Klettersteig aus gesehen

Briancon vom Klettersteig aus gesehen

Der nächste Klettersteig führte die Kinder und mich unterhalb des Chateau Queyras durch die Schlucht des Guil. Dieser Steig ist recht einfach, aber auch wieder landschaftlich sehr schön. Hier zählen nicht die Höhenmeter, sondern man bewegt sich horizontal durch die Schlucht. Teilweise findet man noch Überreste von alten Seilen und Hängebrücken, da früher der Steig auf das Chateau führte. Heute bleibt man jedoch auf der gegenüberliegenden Schluchtseite. Dieser Steig ist auch für Anfänger geeignet, da es unterwegs Notausstiege zur darüber befindlichen Strasse gibt.

In der Schlucht beim Chateau Queyras

In der Schlucht beim Chateau Queyras

Zum Schluß ging es noch einmal zu ein paar Klettersteigen in der Gorge de la Durance etwas südlich von Briancon. Wie der Name schon sagt, klettert man hier wieder in einer Schlucht, nur mit dem Unterschied, dass sich die Felswände hier etwas höher über der Durance auftürmen. Hier finden sich insgesamt vier Klettersteige, für die man einen kleinen Obolus entrichtet.

Gleich am Anfang findet man einen wirklich einfachen Steig, der auch für kleinere Kinder geeignet ist. Den haben wir zunächst rechts liegen lassen und sind weiter in die Schlucht hinein, wo drei weitere warten – von relativ einfach bis hin zum Sportklettersteig. Die beiden einfacheren sind die Kinder ebenfalls mitgegangen und den knackigen habe ich mir alleine gegönnt. Und der Gorge de la Durance sportiv war schon interessant. Mehrmals wechselt man über Hängebrücken die Flussseite und hat teilweise ganz ordentlich Luft unter dem Hintern. Die letzte Hängebrücke war besonders spannend. Zum einen wegen der Höhe über dem Fluß, zum anderen wegen dem Wind, der jeden Nachmittag von Süden über die Landschaft und wie in einem Windkanal durch die Schlucht blies. Auch ohne Kletterer auf der Brücke war diese schon ordentlich am schaukeln.

Dieser Wind ist auch der Grund, warum die großen Seilrutschen an gleicher Stelle, zumindest während wir dort waren, nachmittags nicht betrieben wurden.

Der Hüsler Klettersteigführer ist noch voll mit vielen weiteren Klettersteigen in der Gegend, wir haben sicherlich nur einen geringen Teil gesehen.

Offroad und Passstrassen

Auch für die Freunde von Offroad-Pisten und Passstrassen bietet die Gegend ausreichend Betätigungsfeld. Zumindest die Pässe teilt man sich hier mit ausdauernden Radfahrern, vor denen ich einen riesen Respekt habe angesichts der Steigungen, die sie bei der Hitze bewältigen. Einige dieser Pässe kennt man zum Beispiel von der Tour de France. Kein Wunder, dass die Radfahrer so heiss darauf sind, sich da hoch zu quälen.

So kann man zum Beispiel Europas höchste Strasse befahren, den Col de la Bonette. Oben auf der Passhöhe kann man leidlich am Rand parken und die restlichen Höhenmeter auf den Cime de la Bonette zu Fuss zurücklegen. Für den Rückweg in „unser Tal“ haben wir eine unbefestigte Route gewählt – Col de la Moutière – und hatten hier die Gelegenheit, viele Murmeltiere zu beobachten.

Auf dem Weg zum Col de la Bonette

Auf dem Weg zum Col de la Bonette

Über den Col de Galibier sind wir auf der Hinfahrt gefahren, aber da war die Suppe so dicht, dass wir nur ein paar Meter weit sehen konnten. Logisch, dass wir noch einmal zurück mussten. Ein weiterer Pass war der Col du Vars, ein weiteres Highlight aus aneinandergereihten Serpentinen.

Mehr Spass haben uns jedoch die Offroad Strecken gebracht.

Auf dem Weg zum Col de Parpaillon

Auf dem Weg zum Col de Parpaillon

Da wären zum Beispiel der Col du Parpaillon, wohl ein Klassiker, wenn man einschlägigen Blogs so glauben darf. Höhepunkt ist sicherlich der Tunnel auf der Passhöhe, der eng und dunkel ist sowie ein paar nette Auswaschungen bietet.

Eine nette Runde war auch die Tour zum Col du Lauzet mit einem netten Bergsee im Hochtal und einem fantastischen Blick von der Alm von Mouissière ins Tal der Durance.

Zum Col D'Izoard

Zum Col D’Izoard

Und zum Schluss noch ein wenig Kultur

Natürlich gab es nicht nur Action – ein bisschen Kultur und Geschichte sollte auch auf dem Speiseplan stehen. Und da würde ich die beiden Orte Briancon und St. Veran nennen, die es lohnt, zu besuchen. Briancon – als höchstgelegene Stadt Europas auf mehr als 1200m Seehöhe – wartet mit einer tollen Altstadt und gleich mehreren Forts auf. Wie gesagt, aus dem oben erwähnten Klettersteig hat man eine super Sicht über die Stadt. Und schliesslich St. Véran, die höchstgelegene Gemeinde Europas. Nur 300 Einwohner, aber ein eigenes Skigebiet! Ein Spaziergang durch den Ort ist ganz nett und hat bei mir den dringenden Wunsch geweckt, hier noch einmal im Winter vorbeizuschauen.

St. Vèran - die höchste Gemeinde Europas

St. Vèran – die höchste Gemeinde Europas

Puh, was für ein Text

Meine Güte, so viel habe ich ja schon lange nicht mehr geschrieben. Aber um die Möglichkeiten der Gegend für Outdoor-Liebhaber zu beschreiben, denke ich, ein Artikel ist besser, als eine Min-Serie. Ich hoffe, ihr habt bis zum Schluss durchgehalten.

Wie gesagt, Vorurteil ausgeräumt – die Gegend sieht mich noch einmal wieder! Ganz bestimmt.

Mir hat es gefallen - ich komme wieder!

Mir hat es gefallen – ich komme wieder!