Ende Oktober ungefähr entschlossen wir uns doch noch, „zwischen den Jahren“ in den Urlaub zu fahren und aus verschiedensten Gründen entschieden wir uns für den Harz. Eine tolle Ferienwohnung in Sankt Andreasberg war schnell gefunden und wir begannen, Ideen für den Urlaub zu sammeln. Als Läufer stand bei mir natürlich auch der Sport auf der To-Do Liste und als ich sah, dass der Brocken lediglich 16km von unserer Ferienwohnung entfernt war, stand zumindest für einen Lauf die Richtung bereits fest. 

Familienverträgliches Laufen im Urlaub bedeutet auch, sich morgens den Wecker zu stellen, um von der Piste zurück zu sein, wenn der Tag für die anderen Familienmitglieder beginnt. Ist ein Bäcker in der Nähe, kann man gleich Brötchen mitbringen – win-win sozusagen. Die ersten Routen hatte ich mir von Strava vorschlagen lassen, eine Funktion, die ich mehr und mehr zu schätzen lerne. Besonders, wenn man sich in der Gegend nicht auskennt. Durch die Kopplung von Strava und Garmin Connect ist der Track auch in nullkommanichts auf der Uhr und es kann los gehen. 

Doch wie konnte ich nun am besten den Brocken in die Laufrunde integrieren? Der eigentliche Plan war, sich auf dem Brocken mit der Familie zu treffen, um dann entweder gemeinsam mit der Bahn herunter zu fahren. Doch in den letzten Tagen des Jahres 2022 machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung – von Schnee war weit und breit nichts zu sehen, es regnete zwischendurch junge Hunde und der Gipfel des Brockens versteckte sich die ganze Zeit in den tief hängenden und weinenden Wolken. Kurzum – attraktiv als Tagesziel war der Brocken wahrlich nicht. Ein anderer Plan musste her und der ergab sich, als wir andere Harz-Highlights für Freitag Mittag buchten. Kurz im Kopf überschlagen, auf der Karte geprüft und der Familie vorgeschlagen. Ich stelle mir den Wecker auf um sechs, laufe in Sankt Andreasberg los, schlage einmal am Brockenstein an und laufe dann über den Hexenstieg nach Schierke. Dort treffen wir uns und gehen gemeinsam frühstücken und starten in den Tag. Die Strecke habe ich mir schlussendlich bei Komoot zusammengestellt. Mit der entsprechenden App auf der Uhr ist auch hier der Track schnell verfügbar.  

Wie geplant, klingelt am Freitag um sechs in der Früh der Wecker. Während die Maschine prustend einen Kaffee bereitet, schlüpfe ich in die Klamotten, drücke mir ein Gel rein und stehe etwa zwanzig Minuten später vor der Ferienwohnung. Im Gegensatz zu den vorherigen Laufrunden, die erst über viel Asphalt ansteigend aus Sankt Andreasberg herausführen, führt mich der Track diesmal nach wenigen Metern links zwischen den Häusern hindurch auf einen Pfad.  

Zick-Zack Weg mit Hindernissen

Ein Schild weist den Weg und sagt „Zick-Zack Weg mit Hindernissen“. „Geil“ denke ich, das geht ja gut los und gefällt mir besser, als die olle Strasse hochzulaufen. Generell bin ich davon ausgegangen, dass der Weg über breite Forststrassen führt, da Bilder bei Komoot und meine Erinnerung genau das suggerierten. Doch die Strecke hatte etwas anderes im Sinn.

Ja, es war ein steiler Zick-Zack Weg und auch die ersten Hindernisse liessen nicht lange auf  sich warten – etliche Bäume lagen im Weg, was den Lauf im Schein der Kopflampe schon etwas abenteuerlich werden lässt. Obendrüber, untendrunter oder daran vorbei, je nach Baum. Ich habe sie nicht mehr gezählt mehr als eine Handvoll waren es sicher. Als dann ein breiter Weg vor mir auftauchte bin ich gerne in diesen eingebogen und habe in der Dunkelheit offensichtlich den Abzweig auf einen weiteren Singletrail übersehen. Anstelle vom Gerenner-Weg befand ich mich auf dem parallelen Sperrlutterweg, konnte die Abweichung auf der Uhr sehen, aber dachte mir nichts dabei. Bis ich an einer Weggabelung stand, von der aus es nicht mehr in meine Richtung weiterging. Es waren nur ein paar Meter bis zu „meinem“ Track, die mussten aber Offroad und bergan gekraxelt werden. Wieder zurück auf dem Pfad kam ich kurz danach wieder an eine Stelle, wo ich den Weg suchen musste. Wie gesagt, es war noch dunkel und der Abzweig führte wieder auf einen noch schmaleren Pfad, der nun den steilsten Anstieg der gesamten Strecke markieren sollte.

Feinster Trail in dunkler Nacht

Oben an der Clausthaler Strasse angekommen, führt der Weg parallel zunächst auf dem Kuhtritt (jeder Name hat wohl so seine Geschichte) und dann auf dem Sonnenberg Grabenweg entlang. Auf Höhe der Sternwarte überquert man die Strasse und biegt auf den Harzburger Weg ein. Erst bergan und dann schön bergab. Dieser Abschnitt ist toll! Durch die Regenfälle der vergangenen Tage hat man das Gefühl, in einem kleinen Bachlauf zu laufen. Ich habe zwar meine Gore-Tex Schuhe an, versuche aber dennoch, nicht zu viel im Wasser herumzupatschen. Es geht über Stock und Stein, vereinzelt liegen auch hier Bäume im Weg. Einen Stolperer kann ich gerade noch abfangen, bevor ich lang hinschlage. Puh, Glück gehabt! 

Irgendwann mündet der Harzburger Weg in den Rehberger Grabenweg – jetzt habe ich mal den breiten Forstweg – und dieser führt mich bis zum Oderteich. In der Ferne konnte man den beginnenden Tag erahnen. Ein kurzer Blick auf die Uhr und ich stelle fest, dass ich erstens langsamer bin, als gedacht und es zweitens etwas knapp werden könnte, pünktlich zum Sonnenaufgang auf dem Brocken zu sein. Das war zumindest der Plan. Als notorischer Optimist wollte ich die objektiv nicht vorhandene Chance wenigstens nutzen.

Der Uferweg des Oderteich

Am östlichen Ufer ging es nun auf dem Uferweg weiter und das wieder schön abwechslungsreich teils über Holzstege, dann wieder über Wurzeln im Kiespfad. Einen zweiten Stolperer kann ich wieder abfangen, die Reflexe funktionieren. Hier startete auch, bis auf wenige kleine Ausnahmen, der lange Anstieg, der auf den Brocken führt. Irgendwann geht es Richtung Osten nach Oderbrück, wo am Parkplatz die Strasse überquert wird. Hier stehen etliche Autos und ich erwarte, dass es von nun an etwas voller auf dem Weg sein wird. Nun habe ich wieder einen breiten Forstweg unter den Sohlen, doch nicht lange. Die Schilder weisen geradeaus zum Brocken, mein Uhr sagt rechts abbiegen. Meine Uhr kenne ich länger als die Beschilderung, also folge ich ihr und sie führt mich auf einen wunderschönen Weg durchs Hochmoor. Auch hier geht es entweder auf Holzplanken oder zwischen Steinblöcken über Wurzeln entlang. Mega!

Die Dämmerung setzt ein

Mittlerweile hat die Dämmerung eingesetzt und ich sehe, dass ich mir um den Sonnenaufgang keine Gedanken machen muss. Die Sonne wird sich erst einmal nicht zeigen, zumindest nicht auf dem Brocken. Zu tief hängen die Wolken und die Tatsache, dass sie sich recht schnell bewegen zeigt auch, dass es oben ein wenig windig werden kann.

Kurz nach dem Hochmoor

Am dreieckigen Pfahl ein kurzes Innenhalten. Hier verlief die deutsch-deutsche Grenze und ohne die Wende wäre dies hier noch Sperrgebiet gewesen. Das ist alles so absurd! Besonders, wenn der weitere Weg auf dem ehemaligen Kolonnenweg weiterführt. Doch so langsam kommt das Etappenziel – der Brocken – näher. Über den Neuen Goethe Weg entlang den Gleisen der Brockenbahn erreicht man schliesslich die Brockenstrasse. Hier treffe ich dann auf Wanderer und Radfahrer, die sich zu meiner Überraschung auf dem bisherigen Weg rar gemacht haben. Die, die mir entgegen kommen, sind winterlich eingepackt und der zunehmende Wind erklärt auch warum.

Ehemalige deutsch-deutsche Grenze

Auf Höhe des Bahnhofes ziehe ich mir die mitgebrachte Daunenjacke über und muss hier schon aufpassen, dass der Wind sie mir nicht aus der Hand reisst. Es ist kalt, stürmisch und neblig. Offensichtlich bestes Brockenwetter. Das führt aber auch dazu, dass ich am Gipfelstein ganz alleine bin. Schnell ein paar Selfies und nichts wie runter, bevor ich auskühle. Und ausserdem wartet ja Frühstück in Schierke.

Oben und alleine

Auf den Downhill nach Schierke freue ich mich schon, seit ich denLauf geplant habe. Den Hexenstieg kenne ich von früher und hatte ihn als anspruchsvolle Alternative zur Waldautobahn in Erinnerung. Zunächst ging es über die Brockenstrasse wieder runter, hier konnte ich es ein wenig laufen lassen. Bis zum Abzweig vom Hexenstieg. Die Daunenjacke wurde wieder verpackt, kurz verschnauft und auf ging es auf das letzte Highlight der Tour.

Einstieg in den Hexenstieg nach Schierke

Schnell stellte ich fest, dass mich meine Erinnerung wieder einmal genarrt hatte. Der Weg war einfach noch mal viel abenteuerlicher und genialer! An flüssiges Laufen war nicht zu denken, es war eher ein Hüpfen und Springen von Stein zu Stein, von Wurzel zu Wurzel. Apropos flüssig, Wasser gab es auch reichlich und nachdem ich direkt nach den ersten drei Schritten auf dem Stieg bis zum Knöchel im Morast stand, konnte ich nun auch die Gore-Tex Schuhe artgerecht ausführen. Schnell stellte ich fest, dass der Weg des Wassers doch oft der einfachere ist und sind die Schuhe einmal nass, ist es auch egal.

Wahrlich keine klassische Laufstrecke

Mir kamen viele Wanderer entgegen, die alle nett Platz gemacht haben und nicht immer war beim Grüßen Augenkontakt möglich, weil ich mich zu sehr auf die nächsten Schritte konzentrieren musste. Das hat einen Riesenspass gemacht! Trotz aller Konzentration passierte es dann weniger als zwei Kilometer vor dem Ziel dann doch – ich knicke mit dem rechten Fuss um. Nicht schlimm, die nächsten vier, fünf, sechs Schritte humple ich ein wenig, dann geht es wieder. Wieder Glück gehabt. Unter maximaler Vermeidung der Brockenstrasse führt der Weg schliesslich nach Schierke rein, wo die Liebsten schon warten. 

Und dann zeigt sich die Sonne doch noch kurz

Ich weiss, die Strecke ist kein klassischer Rundwanderweg. Dennoch möchte ich sie mit Euch teilen, da sie mir mega gut gefallen und meine Erwartungen deutlich übererfüllt hat. Gefühlt war mehr als Dreiviertel der Strecke feinster Trail und eben nicht die Waldautobahn, die ich erwartet habe. Gepaart mit einer moderaten Steigung auf den Brocken von Sankt Andreasberg mit dem schönen abenteuerlichen Downhill nach Schierke war das eine tolle Trailrunning Strecke und ich bekomme noch immer das Grinsen nicht aus dem Gesicht, wenn ich an den Lauf denke. 

Ein Wort vielleicht noch zum jetzigen Erscheinungsbild des Harzes. Ja, der Wald sieht furchtbar aus. In der Dämmerung und im Nebel bisweilen gar gruselig. Die Gründe sind bekannt – Trockenheit bzw. Wassermangel und der Borkenkäfer. Wir haben allerdings auch mit Einheimischem gesprochen, die recht optimistisch waren, dass sich die Landschaft bald erholt zeigen wird und die Fehler der Vergangenheit korrigiert sind. Es wird dauern. Und bis dahin wird der Harz noch ein wenig gerupft aussehen.