Island als Reiseziel stand bei uns schon länger auf dem Plan. Seit meiner ersten Reise auf die Insel aus Feuer und Eis wollte ich auf jeden Fall noch einmal dorthin und auch der erstgeborene Nachwuchs hatte ein gehöriges Maß an Interesse an diesem Reiseziel entwickelt. Und bevor die Urlaubspläne von uns und dem Nachwuchs sich in verschiedene Richtungen entwickeln, wollten wir den Plan endlich in die Tat umsetzen.
Bezüglich der Fortbewegung vor Ort stand für uns außer Frage, den eigenen Wagen samt der benötigten Campingausrüstung mitzunehmen. Das macht die Anfahrt zwar etwas teurer, dafür ist man aber vor Ort deutlich flexibler und muss bei der mitgebrachten Ausrüstung nicht geizen. Und ehrlich gesagt war zumindest für mich die Aussicht auf eine spannende und längere Fährüberfahrt bereits Teil der Reise.
Also buchten wir die Fähre nach Island und fingen an, für uns interessante Punkte auf einer großen Karte zu markieren. Ganz grob wollten wir eine Tour zurücklegen, die der Form einer liegenden Acht entsprach, was zwangsläufig eine zweimalige Durchquerung des Hochlandes bedeutete. So sollte auch unser Offroad Fahrzeug mal wieder artgerecht ausgeführt werden.
Die Anfahrt
Wir haben uns angewöhnt, längere Anreisen nicht mehr in einem Stück und unter Stress zurückzulegen. Lieber spendieren wir ein oder zwei Nächte und sehen diese Abschnitte bereits als Teil der Reise an. Die Anfahrt zum Fährhafen Hirtshals im Norden Dänemarks schlägt immerhin mit gut 1000 Kilometern zu Buche. Die Gemahlin schlug vor, Station in Flensburg zu machen. Unser Zelt errichteten wir auf dem Campingplatz Langballigau an der Flensburger Förde.
Der Sommer 2018 war heiß und trocken. Umso seltsamer war es, die Klamotten für Island zu packen. Dort herrschte das komplett gegenteilige Wetter – Temperaturen, die nur knapp oberhalb der 10 Grad Marke lagen und viel Regen. So genossen wir das Wetter in Norddeutschland noch ein wenig und machten Witze, dass wir uns bald ein bisschen von dem Rekordsommer wünschen würden.
Nach zwei Nächten packten wir alles zusammen und begaben uns auf die letzte Strassenetappe vor der Fähre. Und die Vorfreude stieg merklich.
Wir hatten den Campingplatz in Hirtshals reserviert und ein Aufsteller am Eingang mit den Worten „We are full“ verriet, dass das eine gute Idee gewesen ist. Auf diesen Campingplatz hatte ich mich schon lange gefreut. Der Platz selbst ist nun wirklich keine Schönheit, aber er liegt toll. Und das in zweierlei Hinsicht.
Zum einen befindet er sich unmittelbar am Strand, unweit des Ortes. Nach wenigen Schritten ist man am Wasser und kann in der Nordsee baden. Die Chance haben wir genutzt angesichts des Wetters, welches uns auf Island erwarten würde. Ebenfalls fußläufig erreicht man den Leuchtturm von Hirtshals und das darunter liegende Areal mit den Bunkern des Antlantikwalls inklusive eines kleinen Museums in einem der Bunker.
Zum anderen denke ich, dass der Platz eine besondere Stimmung ausstrahlt – nämlich Vorfreude und Abenteuerlust. Die wenigsten halten sich hier für länger auf. Der Platz wird eher als Start- oder Endpunkt einer Fährüberfahrt genutzt. Vom nahegelegenen Hafen legen die Fähren in Richtung Norwegen, aber halt auch in Richtung Island ab. Und so sammeln sich hier interessante Offroad Reisemobile, von denen man davon ausgehen konnte, dass man sie am nächsten Tag am Terminal der Islandfähre wiedersehen würde.
Unsere Fähre sollte am nächsten Tag ablegen. Daher bauten wir nur das absolute Minimum an Camp auf, erkundeten die Umgebung und gingen Abends noch lecker essen im Ort. Und ja, die besagte besondere Stimmung begann zu wirken, es wurde dunkel, der Leuchtturm begann seine Arbeit zu verrichten und am nächsten Tag sollte unser Abenteuer Island endlich beginnen.
Überfahrt mit der Fähre
Fast immer, wenn wir anderen erzählt haben, dass wir mit dem eigenen Fahrzeug nach Island fahren, kam die Frage: „Was, da fährt eine Fähre?“. Ja, eine einzige. Und zwar die M/S Norröna von der Smyril-Line. Das Schiff pendelt je nach Fahrplan zwischen Island, den Färöer Inseln und Dänemark hin und her. Früher steuerte sie noch Norwegen an, da mussten die Island-Passagiere noch für einen Zwangsaufenthalt auf den Färöer vom Schiff. Diesen Zwangsaufenthalt gibt es heute nicht mehr. Ein Zwischenstopp auf den Färöer Inseln bietet sich aber dennoch an. Wir haben uns entschlossen, diesen auf der Rücktour einzulegen.
Ich mag keine Kreuzfahrten. Aber ich mag das Gefühl, auf einer großen Fähre zu einer Reise aufzubrechen. Und hier versprach die Fährüberfahrt ein Teil des Abenteuers zu sein. Natürlich kann man denken, die zweieinhalb Tage Fährüberfahrt wären vergeudete Zeit. Aber dann ist man eben selbst schuld. Als Teil der Reise gesehen, kann eine solche Fahrt ganz lustig sein.
Wir haben uns eine Aussenkabine gegönnt, so hatten wir auch noch etwas vom Meer, selbst wenn wir auf dem Bett gesessen haben. Die Norröna ist nicht ganz so groß wie zum Beispiel andere Norwegenfähren, mit denen wir schon gefahren sind. Trotzdem gibt es diverse Restaurants, den obligatorischen Duty Free Shop, ein Kino, Pool, Sauna, Gym, Spielautomaten und Bars. Und ein Sonnendeck.
Auf diesem Sonnendeck fand ich meine Familie wieder, nachdem wir auf die Fähre gefahren sind. In der Hauptsaison wird das Fahrzeugdeck so eng zugeparkt, dass Bei- und Mitfahrer nur über die Fußgänger Gangway auf das Schiff gelangen. Apropos Sonnendeck – bei der Abfahrt in Hirtshals bei bestem Wetter, war das Sonnendeck noch relativ voll. Bis zum Schluss habe ich nicht mehr so viele Leute auf dem Deck gesehen, da das schöne Wetter nun wirklich bald vorbei sein sollte.
Was macht man nun die ganze Zeit auf der Fähre? Essen! Wir hatten die Mahlzeiten vorgebucht und so waren Frühstück, Mittag- und Abendessen die Ankerpunkte des Tagesablaufs. Dazwischen wurde in den Islandreiseführern gestöbert, sich mit anderen Reisenden unterhalten, zwischen der Positionskarte und dem Aussendeck hin- und hergependelt oder einfach nur in Vorfreude aufs Wasser gestarrt. Da ich in der Marathonvorbereitung steckte, diktierte mir der Trainingsplan ein paar Läufe auf dem Laufband. Und auch der Besuch im Pool und in der Sauna hat bei etwas stärkerem Wellengang seine interessanten Seiten.
Am zweiten Tag gegen sieben Uhr in der Früh passierten wir die Shetland Inseln. Den markanten Felsen mit dem weissen Leuchtturm wollten nicht nur wir uns nicht entgehen lassen. Witzig waren vor allem die Versuche, sich mit dem Smartphone in das britische Mobilfunknetz einzubuchen, um was auch immer zu tun. Das Netz reichte wohl gerade so bis zum Schiff, so dass ein kurzer Gruß in die Familien-WhatsApp Gruppe möglich war. (Das Netz an Bord ist wie bei vielen Schiffen unverschämt teuer!)
Am frühen Abend erreichten wir die Färöer Inseln und legten kurz im Hafen von Tórshavn an. Der Zwischenstopp sollte nur kurz dauern, so dass wir von einem kurzen Ausflug in den Ort abgesehen haben. Nach Verlassen des Hafens fährt die Fähre mitten durch die Inseln und befindet sich bald wieder auf hoher See. Nun lag nichts mehr zwischen uns und Island.
Nichts ausser einer Nacht mit reichlich Wellengang.
Am darauffolgenden Vormittag erreichen wir schliesslich die Ostküste Islands und fahren bald in den Seydisfjord ein, an dessen Ende die kleine Hafenstadt Seyðisfjörður liegt.
Wir sind da. Und die Wolken hängen tief. Es sieht nach Regen aus und es ist kühl.
Im Norden von Island
Durch den Zoll werden wir einfach durchgewunken. Wir hatten uns zwar bei der Einfuhr von Lebensmitteln an die Bestimmungen gehalten, aber ich hatte ehrlich gesagt keine Lust, dies durch Ausräumen der Kisten auch zu beweisen. In diversen Berichten konnte man lesen, dass die meisten, die von der Fähre kommen, sich nicht lange im Ort aufhalten, sondern direkt nach Egilsstaðir zum nächsten größeren Supermarkt fahren. Auch für uns gibt es keinen Grund, länger hier zu bleiben und kurze Zeit später sehen wir die meisten Reisemobile, die vor uns von der Fähre gefahren sind, auf dem Supermarktparkplatz wieder. Hier werden die Vorräte um die Dinge ergänzt, die nicht eingeführt werden dürfen, wie zum Beispiel Milchprodukte, Obst und Wurst. Eine erste Gelegenheit, sich an die isländischen Preise zu gewöhnen.
Da es noch relativ früh am Tag ist, wollen auch wir unserem ersten Etappenziel entgegenfahren. An der Kreuzung beim Supermarkt teilt sich die Schar der Reisenden auf die Nord- bzw. Süd-Route auf. Wir fahren gen Norden – zu den Papageitauchern.
Auf halbem Wege machen wir Halt an einer kleinen Hütte. In ihr stehen zwei durch Windkraft und Solarenergie betriebene Automaten – einer mit Snacks, der andere mit Getränken. Um Strom zu sparen, muss man die Anlage vor Benutzung erst einmal hochfahren. Es scheint vielen Reisenden so zu gehen wie uns, denn wir haben nach der Fährüberfahrt noch nicht das richtige Kleingeld in der Tasche, um die Automaten zu füttern. Also ziehen wir weiter. Vorher allerdings treffen wir auf ein anderes deutsches Pärchen, die bereits seit einiger Zeit auf Island unterwegs sind und über die Ringstrasse hierher kam. Auf das Wetter angesprochen, rollten sie nur mit den Augen und meinten, es wäre der erste schöne Tag heute nach gut zwei Wochen Dauerregen.
Wir haben wohl das gute Wetter mitgebracht.
Unser Ziel heisst Bakkagerði am Borgarfjörður Eystri im Nordosten Islands. Der Zeltplatz im Ort erscheint riesig, auch im Vergleich zu den kleinen Hütten mit den Sanitäranlagen. Trotzdem ist er schön gelegen im Schatten der Álfaborg, einem kleinen Hügel, der als Sitz des Elfenkönigs und seines Hofstaates gilt. Doch eigentlich zieht es uns zu den Puffins, den Papageitauchern. Etwa 5 km vom Campingplatz entfernt, beim Hafen Hafnarhólmi gibt es eine bekannte Puffin-Kolonie. Wir sind hin und weg von den possierlichen Tierchen. Ich kann mich kaum satt sehen, angesichts der unbeholfenen Start- und Landeversuche. Es entstehen unzählige Fotos, bei denen es mir schwer fällt, auf einzelne Bilder zu verzichten.
In einiger Entfernung braut sich ein Gewitter zusammen, so dass wir uns dann doch irgendwann einmal trennen müssen. Auf dem Weg zurück zum Zeltplatz entdeckt die Gemahlin eine Bewegung im Wasser. Tatsächlich, da tummeln sich ein paar Robben. Nachdem das Gewitter weiter gezogen ist und die Sonne wieder scheint, sitzen wir irgendwann beim Zelt und sind der Meinung, Island hätte sich am ersten Tag bereits von seiner besten Seite gezeigt. Wechselhaftes Wetter, tolle Landschaft, Puffins, Robben, Elfen – so kann es gerne weiter gehen.
Am nächsten Tag zieht es uns bereits weiter, gen Westen. Der Plan war, die Ringstrasse so selten wie möglich zu nutzen. Um auf die Strasse 917 zu kommen, müssen wir ein Stückchen nagelneue Asphaltstrecke fahren. Ausgerechnet hier hören wir ein Geräusch, welches nichts Gutes erahnen lässt. Das rhythmische Klackern aus dem Radkasten hinten rechts und – nachdem wir ausgestiegen sind – das Zischen bestätigen die Vermutung. Wir haben uns etwas „eingefahren“. Ein Metallstück steckt im Reifen. Im nagelneuen Reifen wohlgemerkt. Ich höre den Autoschrauber unseres Vertrauens noch sagen: „Zwei kaputte Reifen auf Island sind Pflicht!“. Aber doch nicht am zweiten Tag schon! Das kann ja heiter werden.
Nachdem der Reifen gewechselt ist, erörtern wir unsere Möglichkeiten. Ohne Reserve weiterfahren wäre fahrlässig und wir stehen kurz vor dem Wochenende. Wir entscheiden, wieder nach Egilsstaðir zurück zu fahren. Die Chance, dort Ersatz zu bekommen erscheint uns am größten. Und es sind ja nur 20 km one-way. Um die Geschichte abzukürzen – im Ort wurde uns geholfen, indem der Reifen geflickt wurde. 30€ in die Kaffeekasse anstelle von 300€ für einen neuen Reifen, den wir auch hätten kaufen können. Wir waren zufrieden.
Wieder mit fünf vollständigen Reifen ausgestattet, konnten wir die Fahrt fortsetzen. Zunächst ging es zurück zu der Stelle, wo wir uns das Stück abgebrochener Auto-Feder eingefahren hatten. Dann folgen wir der Ringstrasse für 500 Meter, um dann auf die 917 in Richtung Norden abzubiegen. Die Gegend durch die wir fahren bietet, nun ja, viel Gegend. Die Piste überquert Pässe, schaut aus den Wolken raus, nur um danach ins nächste Tal wieder unter die Wolken zu verschwinden. Wir geniessen die Abgeschiedenheit hier oben, uns kommen nur wenige Fahrzeuge entgegen.
Abwechslung bietet der Nachbau einer alten Torf-Kirche Geirsstaðakirkja. An der Stelle, wo dieser Nachbau errichtet wurde, stand zur Wikingerzeit ein Gehöft. Eine solche Kirche gehörte damals wohl zum Ensemble.
Unser Zelt schlagen wir im kleinen Fischerdorf Þórshöfn auf. Auch hier handelt es sich um einen kleinen, offenbar von der Gemeinde betriebenen Platz. Die Ausstattung ist einfach, eine Rezeption gibt es nicht. Ein oder zweimal am Tag kommt jemand vorbei, um zu kassieren. Oder auch nicht. Wenn nicht, soll man die Übernachtungsgebühr einfach in eine Klarsichthülle stecken, die an das Klohäuschen gepinnt wurde.
Wir essen zu Abend und schlendern anschliessen ein wenig durch den Ort. Viel gibt es hier nicht zu sehen, doch wir nehmen uns vor, angesichts der Fischerboote, mal nach einer Möglichkeit frischen Fisch zu kaufen auszuschauen. Am nächsten Morgen stehe ich recht früh auf, um eine Laufrunde zu drehen und nach dem Frühstück sind wir auch schon bald wieder auf der Piste.
Unsere Route führt heute zunächst über die 85, bis irgendwann die 864 nach links abbiegt. Diese Piste bringt uns schliesslich zum Dettifoss – Europas größtem Wasserfall, zumindest von der Wassermenge her gesehen. Vorher konnte man aus dem Nebel heraus den Hafragilsfoss sehen, zumindest manchmal. Hören konnte man ihn trotz der Entfernung dagegen immer sehr deutlich. Der Dettifoss ist schon ein beeindruckender Wasserfall. Unter gewaltigem Tosen stürzt das Gletscherwasser, welches vom Vatnajökull kommt, in die Tiefe. Durch die Gischt sind die Felsen nass und rutschig und man muss schon ein wenig aufpassen, wenn man über die Felsen klettert. Ein knappe halbe Stunde Fussmarsch flussauf wartet schon der nächste Wasserfall – der Selfoss. Dieser ist zwar nicht ganz so beeindruckend, aber durch seine Breite auch sehenswert. Der Abstecher lohnt sich und da man halt ein paar Schritte laufen muss, sind dort auch deutlich weniger Menschen unterwegs.
Wir folgen der 864 weiter bis zur Ringstrasse und biegen in Richtung Westen ab. Der Mývatn ist unser Ziel – der viertgrößte See Islands. Der Name bedeutet „Mückensee“, da es im Sommer hier gewaltige Schwärme der sirrenden Plagegeister geben soll. Nicht alle sollen Stechmücken sein, trotzdem bin ich froh, dass uns diese Eigenschaft des Sees erspart bleibt. Bevor wir jedoch den Mývatn erreichen, kündet leichter Schwefelgestank im Auto von einer weiteren Sehenswürdigkeit – dem Hochtemperaturfeld Hverir. Hier kann man Geologie sozusagen hautnah erleben. Aus unzähligen Löchern in der Erde zischt, dampft und brodelt es. Man ist gut beraten, sich an die Wege zu halten, denn bricht man durch die Oberfläche, kann es sein, dass man mit den Füßen im kochenden Wasser steht. Und der Gestank nach Schwefel! So stelle ich mir die Hölle vor.
Am See Mývatn beziehen wir unser Camp in Reykjahlíð auf dem Campingplatz Bjarg. Wir sind früh vor Ort und haben noch eine große Auswahl an freien Plätzen. Lediglich die Enten haben das große Areal bereits markiert, trotzdem entscheiden wir uns für einen Platz in Ufernähe. Noch ist ein wenig vom Tag übrig und spontan beschliessen wir, dem Mývatn Nature Baths, einem Thermalbad, einen Besuch abzustatten. Der Eintritt ist nicht ganz günstig, aber wahrscheinlich immer noch billiger als die Blue Lagoon bei Reykjavik. Und spätestens, wenn man im gut 40° C warmen Wasser sitzt, bereut man es nicht mehr. Das Wasser ist alkalisch und enthält viele Mineralien, ein Bad soll wohl auch gesund sein. Uns ist es egal, wir geniessen die angenehmen Temperaturen und den tollen Ausblick auf den bald einsetzenden Sonnenuntergang.
Als wir zurück zum Campingplatz kommen, ist dieser rappelvoll. Donnerwetter! Da haben wir wohl alles richtig gemacht, hier früher am Tag aufzuschlagen. Ein kleiner Nachteil unseres Standplatzes ist, dass er gleich neben dem Parkplatz liegt. Eigentlich gut für uns, denn wir haben die Kühlbox im Auto und laden auch die Telefone dort. Jetzt aber ist der Parkplatz voll von Minicampern und einige sind wohl derartige Frostbeulen, dass sie die ganze Nacht die Standheizung laufen lassen.
Der nächste Morgen steht wieder ganz im Zeichen des Marathon Trainingsplanes. Es steht ein langer Lauf auf dem Plan und es ist ein schöner Zufall, dass die Runde um den See ziemlich genau 35 Kilometer misst. Also habe ich den Wecker auf fünf Uhr in der früh gestellt, die Flaschen der Laufweste mit Wasser gefüllt und bin los. Um die Zeit ist auf den Strassen nicht viel los und so kann man sich auf der langen Runde mit der tollen Gegend und der Tierwelt beschäftigen. Apropos Wasser, selbst das Trinkwasser weist hier einen deutlichen Schwefelgeschmack auf. Das ist schon ziemlich widerlich, denn bei jedem Schluck hat man das Gefühl, sich direkt aus der Hölle zu erfrischen.
Man verlässt übrigens morgens auch das Zähneputzen mit jenem Schwefelgeschmack im Mund.
Nach einem kurzen Abstecher zur Grjótagjá, einer kleinen Grotte mit heissem Wasser – in der man leider zur Zeit nicht baden kann, da die Temperatur in den letzten Jahren gestiegen ist – machen wir uns auf den Weg nach Norden in Richtung Húsavík.
Húsavík ist ein Fischerort an der Skjálfandibucht und bekannt als Ausgangspunkt für Walbeobachtungen. Für diese Touren hat man die Qual der Wahl und kann aus verschiedenen Angeboten wählen. Wir entscheiden uns für ein zum Schooner umgebautes Holzschiff und damit für die gemächlichere Art des Whale Watching. Man muss gar nicht weit auf die offene See fahren, um Wale zu sehen. Aufgrund der besonderen Geologie der Bucht ist das Wasser reich an Plankton und tief genug, was die Wale natürlich anzieht. Wir müssen auch gar nicht lange warten, bis die ersten Rufe „Whale, whale!“ erklingen.
Auf der Sprengisandur durch das Hochland
Nun sollte es soweit sein – die erste Hochlanddurchqueerung stand an. Zunächst verlassen wir Húsavík in südlicher Richtung auf der 85 und 845, folgen ein Stück der Ringstrasse und biegen schliesslich auf die 842 ab. Gleich am Beginn der Strasse wartet allerdings erst einmal der nächste Wasserfall auf Besucher – der Goðafoss. Eigentlich ein recht sehenswerter Wasserfall. Noch dazu einer mit einer interessanten Sage. Als nämlich im Jahre 1000 n. Chr. das Christentum auf Island zur Staatsreligion erklärt wurde, warf ein Priester hier die heidnischen Götterbilder in den Wasserfall.
Trotz des eher wechselhaften und kalten Wetters ist es am Goðafoss rappelvoll. Man muss viel Geduld aufbringen, um mal ein ansprechendes Foto schiessen zu können, ohne dass Heerscharen von Menschen oder Selfiesticks ins Bild ragen. Kein Wunder, der Wasserfall liegt in unmittelbarer Nähe der Ringstrasse und ist daher vergleichsweise einfach zu erreichen. Ein Effekt, den wir im Laufe der Reise noch verschiedentlich bemerken werden.
Die Gegend, wo mit der F26 die Sprengisandur beginnt, wird durch einen weiteren Wasserfall markiert – der Aldeyarfoss. Hier parkt nur ein weiterer Wagen, die Insassen können wir nirgendwo ausmachen und so haben wir den Wasserfall für uns alleine.
Die F26 ist eine relativ einfache Piste durch das Hochland und für unsere erste Durchquerung mit Bedacht gewählt worden. Das „F“ vor der Ziffer bezeichnet unbefestigte Pisten, die in der Regel den Allradfahrzeugen vorbehalten sind. Die Durchquerung auf der F26 ist mit ca. 154 Kilometern nicht allzu lang. Doch es ist eben eine Piste und nicht die A61 zu Hause.
Uns erwartet eine herrlich schroffe Piste mit der einen oder anderen Wasserdurchfahrt, die aber alle harmlos waren. In der Ebene bläst der Wind ganz ordentlich, immer wieder regnet es. Kurzum, draussen ist es ungemütlich. Die Flugversuche mit der Drohne stelle ich bald ein und beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto muss man ordentlich aufpassen, dass einem die Tür nicht aus der Hand gerissen wird.
Auch wenn das Hochland Islands wie ein Offroad-Paradies erscheint, kann man dennoch nicht fahren, wo man möchte. Im Gegenteil! Die Regeln für das Befahren der Pisten sind sehr streng und werden ebenso verfolgt. Man hält sich also besser an die ausgewiesenen Pisten und fährt auf gar keinen Fall querfeldein. Auch für Fotostops vermeidet man es tunlichst, neue Fahrspuren in den fragilen Boden zu zeichnen. Denn genau das ist der Grund für die Beschränkungen – aufgrund des harschen Klimas sind derartige Spuren noch nach Jahren zu sehen. Warum ich das erwähne? Nun, eigentlich gibt es auf der Sprengisandur nur eine Möglichkeit, zu übernachten. Bei Nýidalur betreibt der isländische Wanderverein zwei Hütten und laut Karte konnte man dort auch zelten. Als wir dort ankommen, weht ein derart starker Wind, dass der Regen waagerecht am Auto vorbei fliegt. Aus einem anderen Fahrzeug steigen die Insassen aus und können sich kaum auf den Beinen halten.
Wir überlegen nicht lange. Die Aussicht, hier inmitten des Unwetters das Zelt aufzubauen, ist nicht sehr verlockend. Also beschliessen wir, aus der Sprengisandur eine Tagesetappe zu machen und direkt weiter nach Landmannalaugar zu fahren.
Landmannalaugar ist bekannt als wunderbares Wandergebiet. Einer der bekannteren isländischen Weitwanderwege – der Laugavegur – beginnt hier. Unser Ziel war der Campingplatz vor Ort. Wir waren schon gespannt auf diesen Platz, da wir das eine oder andere bereits im Vorfeld gelesen hatten. Nicht zuletzt interessierte uns die letzte Furt vor dem Campingplatz, die es eigentlich nur Fahrzeugen mit ausreichender Wattiefe erlaubt, bis zum Campingplatz vorzufahren. (Es gibt YouTube Videos, wo Wagen im tiefen Wasser einfach verrecken.) Allerdings stellte sich diese Wasserdurchfahrt bei uns als harmlos heraus.
Der Zeltplatz ist eine steinige Wiese, die bei unserer Ankunft zudem mit vielen Pfützen bedeckt ist. Es stehen zumeist kleinere Trekkingzelte der Wanderer dort und wer kann, hat die Sturmleinen mit schweren Steinen befestigt. Bei der Anmeldung erfahren wir zwei Dinge. Erstens: es soll stürmisch werden in der Nacht. Man empfiehlt, die Zelte ordentlich zu fixieren. Und zweitens: Die F208, die wir am nächsten Tag nehmen wollten, ist wegen vulkanischen Aktivitäten gesperrt. Es ein ein Gletschersee übergelaufen und es ist Gas ausgetreten, von dem man noch nicht wusste, wie gefährlich es war. Also hat man umgehend eine ganze Gegen evakuiert.
Wenn wir bisher in unserem großen Familienzelt geschlafen haben, war es hier offensichtlich besser, auf den Plan B zurückzugreifen. Für genau diesen Fall hatten wir noch zwei kleinere Zelte dabei, die wir auf der steinigen Wiese aufbauten. Die freiliegenden großen Steine waren bereits allesamt in Verwendung, hier machten sich die guten Heringe bezahlt.
Die Nacht war stürmisch wie angekündigt. Ich habe schon mal besser im Zelt geschlafen. Die Entscheidung, auf das große Zelt zu verzichten, stellt sich am nächsten Morgen als goldrichtig heraus, als unsere asiatischen Nachbarn in ihrem blauen Großraumzelt einen eher hektischen Start in den Tag hatten.
Irgendwann pellen auch wir uns aus dem Schlafsack und angesichts von 5° Celsius und immer noch einer steifen Brise entscheiden wir uns, das Frühstück im Gemeinschaftspavillon einzunehmen. Im Zelt ist es voll, doch irgendwann finden wir einen Platz und unterhalten uns nett mit zwei amerikanischen Wanderern, die den Laugavegur angehen wollten. Kurz kommt Bedauern mit den beiden auf, aber nicht, weil sie bei dem Mistwetter zu einer Wanderung aufbrechen, sondern weil sie bemerken, dass sie aus Versehen koffeinfreien Kaffee gekauft haben.
Eines der Highlights in Landmannalaugar ist der Hotpot, ein heisser natürlicher Pool, wie es sie unzählige auf Island gibt. Am Vorabend war es im Hotpot so voll wie in einer deutschen Sauna zur Mottonacht. Nun aber präsentiert sich der Pool menschenleer und ich beschliesse, die Gunst der Stunde zu nutzen. Bei 5° Celsius Lufttemperatur, fiesem Wind und leichten Nieselregen gibt es wohl kaum bessere Aufenthaltsorte auf der Welt, als in warmem Wasser. Das besondere an diesem Hotpot ist, dass ein kleiner Bach heisses Wasser aus einer Quelle hinein leitet und vom Berg kaltes Wasser hinzukommt. Durch die Auswahl der Position im Pool kann man so seine Wohlfühltemperatur finden. Sehr genial! Blöd nur, dass man irgendwann auch wieder aus dem Wasser muss und sich bei besagten Bedingungen abtrocknen und wieder anziehen muss.
Durch die bereits erwähnte Sperrung der Strecke mussten wir uns einen anderen Weg nach Vik suchen. Anstatt östlich am Mýrdalsjökull zur Küste zu fahren, entscheiden wir uns für die westliche Umfahrung, auch wenn das einen nicht unerheblichen Umweg für uns bedeutet. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber es könnte in dieser Gegend gewesen sein, dass bei unseren Kindern ein gewisser Wasserfall-Overflow einsetzte. Überall fiel Wasser von den Bergen, ein Fall schöner oder spektakulärer als der andere. Auch auf dem Weg in Richtung Vik warteten zwei von ihnen.
An der Südküste in Richtung Reykjavik
Als erstes wäre der Seljalandsfoss zu erwähnen, ein Wasserfall, bei dem ein Pfad hinter dem Wasservorhang entlang führt. In einem Reiseführer hatte ich gelesen, dass es sich lohnen würde, auf dem nahegelegenen Campingplatz zu nächtigen und den Sonnenuntergang von dort aus zu geniessen. Leider passte diese Option nicht in unseren Zeitplan und das Wetter sprach auch nicht gerade für einen romantischen Sonnenuntergang.
Ein paar Kilometer weiter gibt es den Skógafoss zu bestaunen, einen fotogenen, 60 Meter hohen Wasserfall. Über einen Pfad auf der rechten Seite des Wasserfalles kann man bis fast zur Abbruchkante kraxeln. Hier führt auch der bereits oben erwähnte Weitwanderweg Laugavegur vorbei.
So schön wie die Wasserfälle auch sind, die Nähe zur Ringstrasse sorgt dafür, dass es an diesen Attraktionen entsprechend voll ist. Wer hier Einsamkeit sucht, ist definitiv fehl am Platz. Trotzdem lohnt ein Abstecher, da es sich um teilweise ziemlich beeindruckende Wasserfälle handelt.
Unser Ziel war Vík í Mýrdal – die südlichste Ortschaft auf Island. Berühmt ist Vik für den nahegelegenen schwarzen Sandstrand Reynisfjara. Und der ist wirklich eine Augenweide – trotz der vielen Menschen. Man wähnt sich ein wenig wie im falschen Film, irgendwo las ich gar, es sähe aus wie in einem Foto-Negativ (wenn ihr noch wisst, was das ist), wenn die weiss schäumenden Wellen auf den schwarzen Strand schlagen. Der Sand ist wirklich schwarz, denn er besteht aus erodiertem Vulkangestein. Die Szenerie ist eingerahmt von gewaltigen Formationen aus Basaltsäulen.
Beeindruckend sind auch die Warnhinweise, die vor den heimtückischen Wellen warnen. Aufgrund des Profils des Untergrundes scheinen sich hier ohne große Vorwarnung gewaltige Wellen aufzutürmen, die all jene zurück ins Meer ziehen, die sich zu nahe ans Wasser gewagt haben. Obacht also, wenn man Fotos mit dem Rücken zum Wasser macht. Apropos, wer einen weniger überlaufenen schwarzen Strand sehen möchte mit nicht minder schöner Kulisse, besucht den direkt bei Vik.
Ganz in der Nähe befindet sich eine weitere Sehenswürdigkeit, die mich interessiert hätte – das Wrack einer notgelandeten DC3. Auch hier kannte ich Bilder, ohne genau zu wissen, wo sich dieser Ort befindet. Aber einmal auf der Karte lokalisiert, wollte ich dorthin. Allerdings lagen zwischen den Bildern, die ich kannte und der Realität ein paar Jahre und bereits auf dem Campingplatz in Landmannalaugar hatten uns die Zeltnachbarn berichtet, dass man nicht mehr direkt bis zum Wrack fahren konnte. Mittlerweile gibt es einen großen Parkplatz, von dem ein langer, schnurgerader Schotterweg bis zur DC3 führt. Man braucht ca. 2 Stunden zu Fuss für die Strecke. Der lange Fussmarsch schreckte meine Familie und der volle Parkplatz mich ab und so liessen wir das Wrack Wrack sein.
Aber auch so ist die Gegend interessant und das unter anderem wegen der Dinge, die man nicht sieht oder auch vielleicht gar nicht sehen möchte. Die Auswirkungen der Kombination aus vulkanischen Aktivitäten und Gletschern sind allgegenwärtig. Breite Flussbetten zeugen von den gewaltigen Strömen an Schmelzwasser, welche sich hier von Zeit zu Zeit gen Meer wälzen und auch die Brücken werden nur einspurig gebaut, da sie sowieso regelmässig von den Fluten weggerissen werden. Unter dem Gletscher Mýrdalsjökull lauert der schlafende Vulkan Katla und man mag sich gar nicht vorstellen, wie es hier ausschaut, wenn er zum Leben erwacht. Es wird gemunkelt, dass in so einem Fall von Vik lediglich die Kirche nicht im Wasser versinken würde.
Auf Reykjavik waren wir alle schon gespannt. Zum einen gilt die Hauptstadt Island als hipper Ort und zum anderen wollte insbesondere ich wissen, wie sich die Stadt seit meinem ersten Besuch verändert hat.
Der Campingplatz, den wir uns ausgesucht haben, liegt direkt neben dem Hostel und damit relativ zentral. Auf dem Weg dorthin mussten wir uns nach den Pisten im Hinterland wieder an normale Strassen und Ampeln gewöhnen. Und noch etwas war anders. Der Platz war voll und überall hingen Zettel rum, die vor Dieben auf dem Platz warnten. Willkommen in der Hauptstadt!
Wir waren bereits früh am Tag vor Ort, so hatten wir unser Camp sicher und konnten entspannt die Stadt erkunden. Allerdings stellte sich gerade beim Nachwuchs schnell Ernüchterung ein. Reykjavik ist halt doch eher ein Dorf im Vergleich zu anderen europäischen (Haupt)-Städten. Wir sind jetzt nicht so die Museumsgänger und die lobgepriesene Kneipenkultur frequentiert man als Familie auch nicht übermässig.
Im Vergleich zu meinem ersten Besuch in Reykjavik vor 16 Jahren hat sich die Stadt gewaltig verändert. Besonders am Hafen hat sich viel getan und es fiel schwer, Orte wieder zu erkennen. Natürlich besichtigen wir die Oper und flanieren die Shopping-Meile rauf und runter. Einzig die Hallgrímskirkja steht unverändert und bietet von der Aussichtsplattform einen super Blick über die Stadt. Wir erörtern kurz die Optionen und beschliessen, weiter zu fahren. Reykjavik ist sicherlich ein lohnendes Urlaubsziel, bitte nicht falsch verstehen. Aber angesichts dessen, was uns noch erwartete, hielt es uns keinen Tag länger in der Stadt.
Und das nächste Highlight lässt nicht lange auf sich warten – Þingvellir (Thingvellir) östlich von Reykjavik. Dieser Ort ist in zweierlei Hinsicht interessant – historisch und geologisch. Hier kam zwischen dem 10. und 18. Jahrhundert das Althing, das isländische Parlament zusammen, um Gesetze zu beschliessen und Recht zu sprechen. Um die Wasserversorgung für dieses Event zu sichern, wurde sogar der Fluss umgeleitet.
Wesentlich offensichtlicher als die Historie ist allerdings die geologische Besonderheit. Hier treffen die amerikanische und die eurasische Kontinentalplatte aufeinander. Um präzise zu sein – die Kontinentalplatten driften hier auseinander. Und das mit einer Geschwindigkeit von bis zu zwei Zentimetern im Jahr. Das führt zu einer beeindruckenden Verwerfung und sogar als Laie erkennt man die verschiedenen Platten. Wenn man sich je gewünscht hat, das, was man im Geografie-Unterricht gelehrt bekommt, einmal live zu sehen, dann ist das hier der richtige Ort dafür.
Snæfellsnes
Uns zieht es weiter nach Snæfellsnes, einer Halbinsel im Westen Islands. Im Buch „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ von Jules Verne befindet sich der Einstieg zu eben jenem Mittelpunkt der Erde im Vulkan Snæfellsjökull an der Südspitze der Halbinsel, der mit seinen 1446 Metern Höhe weithin sichtbar ist. Wenn man Sicht hat. Wir hatten Glück und es gab sogar Momente, wo sich die Wolken verzogen haben und den Blick auf die gewaltige Eiskappe frei gaben.
Unser Zelt schlugen wir auf dem Campingplatz beim Ort Hellisandur auf. Das war wieder ein Platz nach unserem Geschmack, einfache Ausstattung und ein oder zweimal am Tag kamen zwei junge Burschen vorbei, um die Gebühren zu kassieren. Der Platz lag unweit der Küste, einigermassen windgeschützt durch eine Anhöhe inmitten eines Lavafeldes. Aufgrund ihres Aussehens – viele Brocken mit Moos bedeckt – haben wir diese Art der Lava „Brokkoli-Lava“ genannt.
Snæfellsnes ist wirklich toll! Es lohnt sich, hier mehr Zeit zu verbringen. Eine schroffe Küste, farbenfrohe Leuchttürme, ein eisbedeckter Vulkan und wenig Menschen – was will man mehr. Und dann war da ja noch dieses Motiv eines Puzzles, das der älteste Sohn zusammengestellt hatte – der Kirkjufell. Aufgrund seiner aussergewöhnlichen Zuckerhutform und dem nahegelegenen kleinen Wasserfall ist er ein sehr schönes Fotomotiv.
Hier gab es so viel zu entdecken, dass wir spontan entschieden, noch eine Nacht länger zu bleiben. Nachdem wir uns den in der nähe gelegenen Campingplatz in Olafsvik angeschaut haben, sind wir aber wieder zu dem vorherigen Platz zurückgekehrt, was bei den bereits erwähnten jungen Isländern beim Kassieren für einige Verwirrung sorgte.
Bevor wir dann aber doch Snæfellsnes verliessen, bogen wir zu einem Abstecher in den Ort Stykkisholmur ab, einem Fischerörtchen. Gemessen an isländischen Verhältnissen gehört Stykkisholmur mit seinen etwas mehr als 1000 Einwohnern zu den größeren Orten in Island. Seine Entstehung verdankt es dem Schutz des Hafens durch eine natürliche vorgelagerte Insel, von der man heutzutage einen guten Blick hat. Nachdem wir uns bei einem Rundgang auf der Insel den Wind um die Nase haben wehen lassen, wärmten wir uns in einem nahegelegenen Café bei einem Heissgetränk auf. Dabei entdeckte ich den Hinweis auf einen weiteren Hotpot, der nicht allzu weit von unserer geplanten Strecke zu finden sein sollte. Damit stand das nächste Ziel fest.
Dieser Hotpot war so ganz anders, wie die, die wir bisher so kennengelernt hatten. Das warme Wasser lief in einen, mit Steinen befestigten, Pool. Zur Abkühlung floss gleich nebenan noch ein kleiner Bach mit eiskaltem Wasser. Und die Abkühlung hätte man schon gebrauchen können, denn das Wasser im Pot hatte geschätzt 40° Celsius.
Durch das Hochland gen Süden
Unsere nächste Durchquerung des Hochlandes stand nun an. Wir hatten uns für die Strasse 35 entschieden, da wir unter anderem noch zum Geysir und zum Gullfoss wollten. Früher handelte es sich wohl auch um eine F35, aber die Piste ist mittlerweile derart befestigt, dass man diese wohl auch mit normalen Fahrzeugen problemlos befahren kann. Auf halbem Wege kommt man am Hochtemperaturfeld Hveravellir vorbei. Auch hier dampft, blubbert und zischt es aus zahlreichen Löchern im Boden. Man bewegt sich teilweise auf Holzpfaden und auch in diesem Gebiet hält man sich besser an die Wegführung, um nicht plötzlich mit den Beinen in kochendem Wasser zu stehen.
Natürlich gibt es auch hier einen Hotpot, den wir uns nicht entgehen lassen. Über ein einfaches Rohrsystem wird das 80° Celsius heisse Quellwasser mit kaltem Flusswasser gemischt, so dass man es bei Badewannentemperatur gut aushalten kann.
Natürlich gehört zu einer Islandreise auch ein Besuch beim Geysir. Wobei man hier etwas präziser sein muss, denn der große Geysir, der allen anderen Springquellen auf der Welt seinen Namen geliehen hat, ist nicht mehr wirklich aktiv. Bis heute gilt er aber als der größte der Welt, der das Wasser bis zu 170 Meter in die Luft geschossen hat. Wesentlich aktiver ist sein kleiner Bruder in unmittelbarer Nachbarschaft, der Strokkur. Dieser bricht mit schöner Regelmässigkeit ca. alle 10 bis 15 Minuten aus und schleudert das Wasser bis zu 30 Meter hoch.
Wir schlagen unser Lager auf dem Campingplatz Skjöll auf, der praktischerweise ziemlich mittig zwischen zwischen dem Geysir und dem Gullfoss liegt. Man kann sogar aus der Ferne die Wassersäule des Strokkur sehen, wenn dieser ausbricht.
Das Wetter ist leider wieder nicht so toll an diesem Tag. Es ist bedeckt und windig. Entsprechend grau präsentieren sich sowohl Strokkur als auch der Gullfoss. Da sich beide Attraktionen im sogenannten Golden Circle befinden, einer Art „Island kompakt und nicht weit weg von Reykjavik“-Runde, ist es hier trotzdem recht voll. Die Infrastruktur wurde in den letzten Jahren auch massiv ausgebaut, wovon riesige Parkplatze, Souvenirshops und Restaurants zeugen.
Dennoch ist der Strokkur beeindruckend. Irgendwann entwickelt man ein Gefühl dafür, wann der nächste Ausbruch kurz bevorsteht. Man kann sehen, wie sich die Wassersäule beginnt zu heben und mit Luftblasen durchsetzt ist. Mit lautem Zischen steigt das Wasser dann empor, mal höher und mal eben nicht so hoch. Für gute Fotos muss man manchmal ein wenig geduldiger sein.
Auch der Gullfoss – meiner Meinung nach einer der schönsten Wasserfälle auf Island – zeigt sich bei dem Schmuddelwetter eher zurückhaltend. Natürlich ist er imposant, so wie das Wasser in die enge Schlucht fällt und eine gewaltige Gischt erzeugt. Bei schönem Wetter allerdings macht er seinem Namen alle Ehre, denn Gullfoss bedeutet Goldener Wasserfall und aufgrund der Gischt steht eigentlich immer ein Regenbogen über der Szenerie.
Ein Blick auf die Wettervorhersage verrät eine deutliche Verbesserung für den nächsten Tag und ich beschliesse, mein Glück beim Sonnenaufgang noch einmal zu versuchen. In aller Herrgottsfrühe schäle ich mich also aus dem Schlafsack und fahre noch einmal zum Gullfoss. Und was soll ich sagen, es war phantastisch. Lediglich eine Filmcrew sprang am Wasserfall rum und als die Sonne ihre Strahlen auf den Wasserfall warf, zeigte er sich in seiner ganzen Pracht. Glück muss man haben.
Auch dem Strokkur stattete ich noch mal einen Besuch ab. Vor blauem Himmel (und ohne Menschenkette im Hintergrund) sind die Bilder doch ungleich schöner.
So langsam hiess es nun aber, sich wieder in Richtung Ostisland zu begeben, denn der Abfahrtstermin der Fähre rückte näher. Ein Blick auf den isländischen Strassenzustandsbericht zeigte, dass die Sperrung, die uns vor Tagen noch zu einem Umweg zwang, wieder aufgehoben war. Damit war für uns klar, dass wir diesen Teil wieder in die Planung mit aufnehmen und in die Route einbauen wollten. Und so führte uns der Weg wieder nach Landmannalaugar, nur dieses Mal ohne Übernachtung.
Die Piste, die wir unter die Räder nehmen wollten, war die F208. In diversen Beschreibungen war von einer schönen Piste die Rede, die nicht ganz einfach sein sollte. Ersteres kann ich bestätigen und zumindest bei unserer Befahrung waren wir mit keinen nennenswerten Schwierigkeiten konfrontiert. Die Piste wartet mit mehreren schönen Furten und einer abwechslungsreichen Landschaft auf.
Hier macht es sich auch bezahlt, den Wagen vor der Reise mit einem Schnorchel zur Erhöhung der Wattiefe ausgestattet zu haben. Nicht, das wir das wirklich gebraucht hätten, aber das zusätzliche Mass an Sicherheit lässt uns die Furten ganz entspannt angehen. So entspannt, dass wir nach kurzer Zeit vier weiter Fahrzeuge im Schlepp hinter uns hatten, die sich an unserer Spur orientierten. Erst, als wir in einer Pause gefragt wurden, ob wir die Piste kennen würden und dies verneinten, verließ sich die Gruppe nicht mehr auf uns und fuhr alleine weiter. Wir haben sie dann später noch einmal mit geöffneter Motorhaube nach einer Wasserdurchfahrt getroffen.
Deutlich konnte man an verschiedenen Stellen die Spuren des vorangegangenen Überlaufes des Gletschersees sehen, der zu der Sperrung des gesamten Gebietes führte.
In Südisland zurück zur Fähre
Trotz der Wasserfallmüdigkeit musste ein kleiner Abstecher zum Svartifoss sein – zumindest für mich. Auch wenn er nicht so gewaltig daherkommt wie seine Kollegen, ist er wegen der Basaltkulisse, über die er sich ergiesst, durchaus nett anzusehen. Wer bis zum Wasserfall selbst vordringen möchte, muss allerdings über den von mir definierten Jack-Wolfskin-Äquator* hinaus und vom Parkplatz aus ein paar Kilometer zu Fuss zurücklegen.
Eines meiner persönlichen Highlights einer Islandreise haben wir uns für den Schluss aufgehoben – die Gletscherlagune Jökulsárlón. Der See ist einer der tiefsten auf Island und auf ihm treiben Eisberge, die von Abbrüchen des Gletschers Breiðamerkurjökull stammen. Das allein wäre sicherlich schon beeindruckend genug, aber diese Lagune hat über ein kurzes Stück Verbindung zum offenen Meer, wo, abhängig von den Gezeiten, die Eisberge mit dem Wasser entweder hinaus oder halt auch wieder hinein treiben. Das Eis, welches es hinaus geschafft hat, wird vom Wellengang teilweise wieder an den Strand gespült, wo es dann wie große Diamanten dahinschmilzt, was zu dem Namen Diamond Beach geführt hat.
Hier wollte ich unbedingt mit dem Standup Paddle Board, dem SUP, eine Runde drehen. Wenn nur das Wetter nicht wäre! Es ist kalt, wieder mal windig und es regnet. Und wir sind relativ spät dran. Ein wenig ärgere ich mich, aber bei diesen Bedingungen hält sich meine Lust, aufs Wasser zu gehen auch in engen Grenzen.
Trotzdem ist die Szenerie surreal. Hier treiben Eisberge, angezogen vom Sog der Gezeiten, verkeilen sich in der engen Durchfahrt und zwischen ihnen taucht ab und an der Kopf einer Robbe aus dem Wasser. Bei aller Euphorie für diesen Ort – wir sind wieder direkt an der Ringstrasse. Der Parkplatz ist voll und für reichlich Entertainment ist gesorgt. Viele lassen sich von einem motorisierten Amphibienfahrzeug auf das Wasser und in die Nähe der Eisberge karren.
Wir fahren weiter nach Höfn auf den dortigen Campingplatz. Im Grunde trennt uns nur noch eine Tagesetappe vom Fährhafen. Doch die verpasste Chance zum SUPen wurmt mich noch immer und so wird mal wieder die Wettervorhersage bemüht. Es zeigt sich eine minimale Chance auf etwas besseres Wetter am nächsten Tag und die Reiseplanung gibt genau diesen Puffer her. Mit einer Mischung aus abgrundtiefen Optimismus und Dickkopf fahren wir also am nächsten Tag noch einmal zurück nach Jökulsárlón.
Auf dem Weg dorthin fahren wir durch Regenschauer, alles ist grau und windig. Ob das so eine gute Idee war? Doch glaubt es oder nicht – vor der letzten Kurve zum Parkplatz lichten sich die Wolken, der Regen hört auf und es wird zwar nicht freundlich, aber deutlich besser. Ich kann mein Glück gar nicht fassen! Auf dem Parkplatz unterhalte ich mich kurz mit einem Guide für Kajak-Touren und sie empfiehlt mir eine Stelle zum paddeln, an der ich nicht von schwimmenden Bussen belästigt werden würde.
Was soll ich sagen? Die Runde auf dem SUP war eines meiner ganz persönlichen Highlights der Reise. Du stehst alleine auf dem Board, um dich herum treiben Eisberge und deutlich kann man ihr Knacken hören. Allzu dicht sollte man an sie nicht heranfahren, da sie jederzeit umkippen könnten. Zwischendurch schaut mal eine Robbe nach dem Rechten und wundert sich wahrscheinlich, was da für ein seltsames Gefährt in ihrem Revier unterwegs ist. Ich kann gar nicht genug bekommen, so unglaublich ruhig und gleichzeitig wild ist es hier.
Das dieses Erlebnis so möglich war, ist sicherlich auch den Scouts der Amphibienfahrzeuge zu verdanken, die mit Schlauchbooten die Route abfahren und auf Eisberge achten. Sobald diese gesehen haben, dass ich mit dem SUP in der Bucht unterwegs war, haben sie die Bucht ausgelassen und sind in die nächste gefahren. So hatte ich diese Bucht ganz für mich alleine. Danke dafür!
Doch irgendwann ist auch die schönste Tour zu Ende und wir packten alles zusammen. Just, als wir uns im Café am Parkplatz mit einem heissen Kakao aufwärmen wollten, fing es wieder an zu regnen. Alles richtig gemacht!
Nun galt es aber, in Richtung Fährhafen zu kommen. Man hat die Möglichkeit, einen Schlenker der Ringstrasse über eine Schotterpiste mit der Nummer 939 abzukürzen. Die Befahrung ist nicht sonderlich schwierig, bei Dauerregen aber durchaus spannend. Und sie bietet zum Abschluss der Reise noch einmal die Möglichkeit, das Fahrzeug mit einer artgerechten Patina zu versehen.
Durch die Regenfälle der vergangenen Tage ist das Zelt entsprechend nass, so dass wir es auf dem Campingplatz in Seyðisfjörður erst einmal aufbauen und hoffen, dass es ein wenig antrocknet, bevor wir die Matten reinlegen. Seyðisfjörður ist so ein Ort, dessen Einwohnerzahl sich mit den Fährterminen wohl vervierfacht. Der Campingplatz ist relativ voll. Aufgrund des Wetters versammeln sich sich alle entweder im Aufenthaltsraum oder den umliegenden Kneipen, Cafés und Restaurants, was die Suche nach einem freien Tisch für vier Personen ein wenig länger dauern lässt.
Am nächsten Vormittag sollte dann auch unser Island Abenteuer vorbei sein und Fähre auf uns warten. Da wir allerdings noch einen Ausflug auf die Färöer Inseln geplant hatten, waren wir mit die letzten, die auf die Fähre gefahren sind.
Was bleibt von so einer Reise?
Ich will es nicht verleugnen, wir sind mit etwas Wehmut auf der Norröna aus dem Fjord rausgefahren. Diese Reise entsprach in so vielem dem, wie ich mir unsere Reisen so vorstelle. Und so verwundert es nicht, wenn wir uns einig waren, dass wir wohl eines Tages noch einmal zurück kommen werden. Auch wieder mit eigenem Offroader, auch wieder mit der Fähre und vielleicht mit besserem Wetter.
Tipps rund um die Island Reise
An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Informationen zusammen tragen, die bei der Planung einer eigenen Islandreise hilfreich sein könnten.
- Fähre nach Island – Smyrill Line https://www.smyrilline.de
- Isländisches Wetter und Strassenverhältnisse – http://www.road.is
- Campingcard Island – http://www.campingcard.is/ – Kann sich lohnen, wenn die beinhalteten Campingplätze zur geplanten Route passen
- Island ist „in“. Entlang der Ringstrasse und des Golden Circles kann es durchaus voll werden.
- Angesichts der boomenden Tourismus können viele Angaben in Reiseführer schnell überholt sein. Bei uns war es eine Lavahöhle. Im Reiseführer (gar nicht mal so alt) noch als Tipp für individuelles Erkunden ausgewiesen, erwartete uns vor Ort ein Parkplatz, ein Kassenhäuschen und geführte Touren zu jeder vollen Stunde. Nichts mehr individuell.
- Auch wenn das Hochland wie ein Offroad Paradies aussieht, man verlässt die Pisten auf gar keinen Fall! Die Isländer reagieren zurecht allergisch auf jeden, der die Pisten verlässt und neue Spuren zieht. Es braucht Jahrzehnte, bis diese wieder beseitigt sind. Selbst für die Übernachtung oder die Pinkelpause hält man sich besser an vorhandene Tracks. Wird man erwischt, wird es teuer. Da kennen die Isländer keinen Spass!
- Camping auf Island ist überhaupt kein Problem. Man sollte halt nur auf eher herbstliches Wetter eingestellt sein. Zudem sollte das Zelt möglichst windstabil sein. Oder man hat einen Plan B mit kleineren Zelten für den Fall der Fälle, wie bei uns.
Wow, ein absolutes Traumziel und fantastische Bilder! Grüße.
Herzlichen Dank für den klasse Einblick in eine tolle Tour mit wunderschöner Landschaft. Island steht auch noch auf unserer ToDo-Liste…
Viele Grüße
Thomas von experience-outdoor.de