Wer sich mit dem Thema Marathon beschäftigt, wird früher oder später an der vermeintlichen Geschichte dieses Laufes nicht vorbeikommen. Der Legende nach lief der Bote Pheidippides im Jahre 490 v. Chr. vom Örtchen Marathon nach Athen, um vom Sieg der Athener gegen die Perser in der Schlacht von Marathon zu künden. Und brach danach tot zusammen.

Auch wenn man heute weiß, dass die Legende in der Form erst viele Jahre später niedergeschrieben wurde, hat dieses historische Ereignis dem heutigen Marathon zumindest seinen Namen gegeben. Die exakte Distanz von 42,195 km wurde sogar noch später festgelegt und zwar in England. Dennoch gilt der Lauf von Marathon nach Athen als Ursprung dieser Distanz und folgerichtig bezeichnet sich der heutige Athen Marathon als das Original – The Authentic. Und ebenso folgerichtig wollen viele Marathonläufer zumindest einmal den Original-Marathon absolvieren.

So auch ich. Na ja, die Tatsache, dass ich beruflich manchmal in Athen zu tun habe und einige laufbegeisterte Leute dort ihren Teil beigetragen haben sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt. Und so bin ich in diesem Jahr nach 2017 den Athen Marathon zum zweiten Mal gelaufen.

Neben der Herausforderung, einen Marathon zu laufen, sehe ich beim Athen Marathon zwei weitere Besonderheiten. Zum einen wäre da das Streckenprofil und zum anderen die Tatsache, dass man am Raceday in aller Herrgottsfrühe aufstehen muss.

Vom Streckenprofil hatte ich vorher bereits gelesen und gehörig Respekt. Im Grunde geht es relativ flach los, sogar die ersten 6 Kilometer bergab. Danach beginnt jedoch eine Steigung, die bis auf eine kleine Ausnahme erst bei Kilometer 32 endet. Danach könnte man es bis ins Panathinaiko Stadion eigentlich laufen lassen – wenn man noch kann.

Das frühe Aufstehen resultiert aus der Logistik des Laufes, die – wie ich bemerken möchte – exzellent organisiert ist. Die Herausforderung besteht darin, die circa 15.000 Läufer rechtzeitig von Athen nach Marathon zu bringen – ohne ein Verkehrschaos zu verursachen. Und das geschieht per Bus-Shuttle. Von bestimmten Punkten in Athen fahren bis gegen 6:00 Uhr morgens die Busse in Richtung Marathon. Das bedeutet, der Wecker klingelt irgendwann zwischen vier und fünf.

Dieses Jahr hatte ich mir wieder ein Hotel im Zentrum besorgt, welches fussläufig von einer der Bushaltestellen lag. Offensichtlich war im Hotel niemand davon ausgegangen, dass zu der frühen Stunde wirklich jemand zum Frühstück kommen würde, denn so richtig war nichts vorbereitet. Immerhin gab es Kaffee und Toast.

Letztes Jahr war ich noch mit Freund Peter unterwegs, dieses Jahr traf ich mich mit Sascha aus dem hohen Norden vor seinem Hotel. Wir hatten uns relativ spontan über die WhatsApp Gruppe des Running-Podcast kennengelernt und verabredet.

An den Bushaltestellen herrscht schon reger Andrang, doch der Anstand der Läufer und die Ordner sorgen für einen zügigen und reibungslosen Ablauf. Nun hat man eine knappe Stunde Zeit, um den Erläuterungen der Bandansage zu lauschen, in sich zu gehen oder sich angeregt mit dem Nachbarn auszutauschen. Wer mag, kann schon mal aus dem Fenster schauen, denn die Fahrt geht grösstenteils entlang der Laufstrecke. Und hier wird man dann sehen, dass der Bus viel bergab fährt. Nicht zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, wie bekloppt es eigentlich ist, Geld dafür zu bezahlen, dass man mit dem Bus vor die Stadt gekarrt wird, nur um dann wieder zurück zu laufen.

In Marathon zeigt sich wieder die perfekte Organisation. Vom Busplatz geht es eine Strasse entlang in Richtung Stadion, wo der Start erfolgen wird. Entlang dieser Strasse stehen etliche DHL Transporter und warten auf die Kleiderbeutel. Danach heisst es „Zeit totschlagen“ bis zum Start.

Dieser erfolgt für die ersten Läufer um 9:00 Uhr. Wie bei vielen anderen Läufen auch, finden die Starts auch hier in Blöcken statt. Mich hat man in Startblock 5 einsortiert und schickt mich kurz vor halb zehn auf die Strecke.

Das Ziel im Panathinaiko Stadion

Das Wetter ist vielversprechend, trocken, mässig warm und später soll sich die Sonne auch noch zeigen. Zunächst geht es etwa fünf Kilometer zum Eingrooven auf die Strecke. Dann biegt der Tross links ab und dreht eine Runde um einen Hügel, in dem man bei Ausgrabungen Gebeine von gefallenen Athenern aus eben jener historischen Schlacht gegen die Perser gefunden hat. Hier befindet sich auch der erste Verpflegungspunkt. Im Gegensatz zu anderen Läufen, gibt es beim Athen Marathon das Wasser in 0,33 Liter PET Flaschen. Irgendwo in dieser Gegend reicht mir ein Zuschauer einen Olivenzweig als Friedenssymbol. Das hat Tradition beim Athen Marathon und man sieht viele Menschen diese Zweige reichen und viele Läufer, die diese beim Lauf tragen.

Kurz nachdem wir wieder auf der Hauptstrecke sind, drückt schon wieder die Blase. Ich hoffe, dass wird jetzt nicht zum Standard, musste ich doch auch in Berlin einen PitStop einlegen. Allerdings ist das hier kein Problem, zwischen den Orten mal eben einen Baum am Strassenrand aufzusuchen.

Bei etwa Kilometer 12 erreichen wir Mati. Dieser Ort und die umgebende Landschaft wurden schwer von den verheerenden Bränden im Sommer 2018 verwüstet. Knapp einhundert Menschen kamen in den Flammen ums Leben. Die Organisatoren des Marathons hatten wohl erwogen, die Streckenführung deswegen zu ändern. Dann kam die Idee des „Runner Forests“. Als Zeichen der Hoffnung und des Wiederaufbaus wurden grüne Bandanas an die Läufer verteilt und diese sollten offen getragen werden, während man Mati passiert, um so ein grünes Band der Hoffnung zu erzeugen. Im Rahmen dieses Projektes werden Spenden gesammelt, die unter anderem für die Wiederaufforstung der Gegend dienen sollen.

Und glaubt mir, wenn man dann durch eine vom Feuer gezeichnete Gegend läuft, in der komplett in Schwarz gekleidete Menschen zu hunderten am Strassenrand stehen und die Läufer anfeuern, bekommt man auch beim anstrengensten Marathon eine Gänsehaut.

Ich habe noch gar nichts zu meinen Ambitionen bei diesem Lauf geschrieben. Ehrlich gesagt, die waren ganz einfach – schneller als im letzten Jahr wollte ich sein, wo ich die vier Stunden Marke nur um wenige Minuten verpasst habe. Und ich wollte mir die Kräfte besser einteilen und nicht wie im letzten Jahr als Wrack oben auf dem Berg ankommen und nicht mehr in der Lage sein, es bergab noch einmal laufen zu lassen.

Auf den ersten Kilometern pendelte die Pace so um die 5 Minuten Marke, mal war sie knapp drüber, mal drunter. Zwischen Kilometer 11 und 17 gilt es die erste Steigung zu bewältigen und die Pace bewegt sich zwischen 5:10 und 5:42. Dann hat man etwa einen Kilometer Zeit, sich auf den langen Anstieg vorzubereiten. Und dieser befindet sich zwischen den Kilometern 19 und 32. Zu allem Übel kann man als Läufer fast immer auf der Strecke sehr weit voraus schauen und ich erinnere mich, dass es mich beim letzten Mal total fertig gemacht hat, den Strom der Läufer einen schier endlosen Anstieg hinauf laufen zu sehen. Dieses Jahr war ich darauf besser vorbereitet.

Wie zu erwarten war, dreht die Pace in Richtung sechs Minuten. Jeder Verpflegungsstand wird sehnlichst erwartet und bei einigen lege ich dann doch wieder kurze Gehpausen zum Trinken ein, was ich eigentlich vermeiden wollte. Kopfrechnen war nie meine Stärke und unter diesen Bedingungen schon gleich gar nicht, doch mir schwant, dass das 4-Stunden-Ziel in Gefahr gerät.

Und dann ist man oben, am höchsten Punkt der Strecke. Jetzt noch 11 Kilometer hinunter ins Zentrum Athens. Kurz vor einstellig also, quasi fast da. Im Vergleich zum Anfang der Strecke, wo zwischen den Ortschaften so gut wie niemand am Streckenrand stand, mehren sich nun Zuschauer und feuern uns an. Das trägt natürlich zur Motivation bei.

Im Gegensatz zum Vorjahr bin ich dieses Mal nicht komplett im Eimer. Das Haushalten mit den Kräften scheint gelungen zu sein und die Pace zieht wieder an. Nun funktioniert die Versorgung des Hirns mit Blut und damit Sauerstoff auch wieder und das große Rechnen beginnt. Die sub4 ist ja doch noch in Reichweite, aber das wird wohl knapp. Gehpausen zum Trinken sind wohl nicht mehr drin und eine Schippe drauflegen wäre auch keine schlechte Idee.

Was letztes Jahr partout nicht mehr gelingen wollte, scheint jetzt zu funktionieren – ich kann es noch einmal rollen lassen, mit einer Pace, die wie am Anfang um die 5 Minuten pendelt – mal drunter, mal knapp drüber. Die Wasserstellen werden noch angesteuert, aber ich schnappe mir nur schnell eine Flasche, nehme einen kleinen Schluck und kippe mir den Rest über den Kopf.

Kurz vor dem Panathinaiko Stadion macht die Strecke noch einen kleinen Schlenker nach rechts. Im Vorjahr hat dieser Haken noch ein paar Motivationspunkte gekostet, da ich uns bereits im Anflug auf das Ziel wähnte. Doch nun weiss ich, was kommt und das ist eines meiner persönlichen Highlights des Athen Marathon – der letzte Strassenzug vor dem Ziel. In einer engen Strasse, zwischen Häuserzeilen steppt der Bär. Die Stimmung ist großartig und man sieht am Ende der Strasse bereits den Eingang zum Stadion. Der Lärm, der Applaus und die Rufe der vielen Menschen tragen einen förmlich auf den letzten Metern.

Und dann ist es da. Das Stadion. Noch ein paar Meter und ich laufe über die Ziellinie. Die Uhr stoppt bei 3 Stunden und 54 Minuten.

Nach der Ziellinie zeigt sich wieder die super Organisation und Logistik des Laufes. Man erhält die Medaille, noch einen Verpflegungsbeutel und wenn man den für die Läufer reservierten Bereich verlässt, warten aufgereiht die Transporter mit den Klamottenbeuteln.

In der Zusammenfassung kann ich sagen, dass der Athen Marathon ein toller Lauf ist. Er ist vielleicht nicht der Lauf für persönliche Bestzeiten, dafür punktet er mit historischem Kontext und einer tollen Umgebung. Und nicht zu vergessen die phantastische Stimmung an der Strecke und in der Stadt.

Und für die Interessierten hier noch ein paar Details und Links:

  • Website: Athens Marathon – The Authentic
  • Zeitraum: Herbst, zur Zeit im November
  • Startgebühr: Pakete ab 30€, Mit Teilnehmershirt 45€ (Stand 2018)
  • Wikipedia Artikel zur Geschichte des Athen Marathons
  • Tipp: Auch wenn es etwas teurer ist – lieber ein Hotel in Zentrumsnähe buchen, das erleichtert die Logistik am Renntag