Ich hatte ja bereits an anderer Stelle erwähnt, dass ich in unserem diesjährigen Sommerurlaub mit der Familie um zwei Tage Zeit für eigene Unternehmungen gebeten habe. Dieser zweite freie Tag sollte nun im Berchtesgadener Land eingelöst werden. Und zwar für die Überschreitung vom Watzmann…

Vor ein paar Wochen sprachen wir in kleiner Runde über unsere Pläne für den Sommer und bei der Erwähnung der Watzmann-Überschreitung war Dietmar sofort Feuer und Flamme. Wenn es in seinen Kalender passen würde, wäre er dabei. Und es passte. Das einzige, was uns noch einen Strich durch die Rechnung hätte machen können, wäre das Wetter gewesen. Die Vorhersagen waren sich erstens nicht einig und zweitens grösstenteils schlecht. Einzig die Vorhersage des Alpenvereins liess berechtigte Hoffnung aufkommen. Für Samstag war recht stabiles Wetter vorhergesagt, welches gegen Abend in Regen und Gewitter übergehen sollte. Wenn wir schnell genug sind, sollte es also funktionieren.

Wir waren bereits vor Ort, als Dietmar am Freitag aus Ratingen anreiste. Abends gönnten wir uns eine anständige Portion Pasta vor dem Zelt. Schliesslich wollten die Kohlehydratspeicher aufgefüllt werden. Nach einem lecker Berchtesgadener Hellen verschwanden wir relativ früh im Schlafsack. Der Wecker stand auf 3:30 Uhr. Wie passend, dass im Nachbarzelt ein Kleinkind gegen 1:30 Uhr den Zeltplatz zusammenschrieh und die Eltern Mühe hatten, es zu beruhigen.

3:30 Uhr, der Wecker am Handgelenk klingelt leise. Wir versuchen, die Gemahlin und die Kinder nicht zu wecken, während wir unsere Sachen zusammenklauben. Als wir über den im Tiefschlaf gefangenen Campingplatz zum Ausgang gehen, sehen wir rechterhand oben auf dem Berg das Licht des Watzmannhauses leuchten. Da also ist unser erstes Etappenziel.

Doch zunächst fahren wir zum Wanderparkplatz an der Wimbachbrücke. Der Parkplatz ist gebührenpflichtig. Leider fehlen mir zur Tageskarte genau 10 Cent. Ich werfe alle Münzen die ich habe in den Automaten und bekomme einen Parkschein bis 18:15 Uhr. Na dann…

Noch sind wir allein hier unten, keine anderen Stirnlampen sind auf dem Parkplatz zu sehen. Gegen 4:20 Uhr beginnt unsere Tour.

Abmarsch in der Dunkelheit

Abmarsch in der Dunkelheit

Zunächst geht es über einen breiten Forstweg durch den Wald. Uns fällt auf, dass es für die Uhrzeit ziemlich warm ist. Ich schwitze jetzt schon unter der Softshell und verbanne diese bald in den Rucksack. Hoffentlich ist es nicht die Schwüle, die ein nahes Unwetter anzeigt.

Irgendwann beginnt sich der Wald ein wenig zu lichten und man erhascht einen Blick in Richtung Watzmann. Hoch oben können wir die Stirnlampen derjenigen erkennen, die vermutlich vom Watzmannhaus bereits in aller Herrgottsfrühe aufgebrochen sind.

Bei der Mitterkaseralm – die wir nach etwa 1:20 h passieren – sind die Bänke noch zusammengestellt. Hier schläft wohl auch noch alles. Wenig später kommt man an einer Klimastation vorbei. Nun wird der Weg etwas steiler. Nach weiteren gut 40 Minuten stehen wir vor dem Watzmannhaus. Etappenziel erreicht. Während andere Watzmann-Aspiranten die Hütte verlassen, gehen wir hinein, um einen Kaffee und eine Apfelschorle zu geniessen. Draussen ist mittlerweile die Sonne aufgegangen und von unserem Platz können wir gut die anderen sehen, die wie eine Perlenkette auf dem Weg zum Hocheck sind. Warten wir also ein wenig und genissen den Kaffee. Bis ca. viertel nach sieben…

Das Watzmannhaus

Das Watzmannhaus

Wir machen uns schliesslich auch auf die Socken. Der Weg vom Watzmannhaus bis zum Hocheck ist relativ einfach. Man läuft auf einem schmalen Pfad recht eintönig den Berg hoch. Genau die Art der Bergauflatscherei, die mir so gar nicht liegt. Zudem beginnt ein kalter Wind um die Ohren zu pfeifen. Ich habe zwar noch die Hosenbeine abgezippt, aber die Softshell wieder an, bis oben zu und die Kapuze auf dem Kopf. Immer schön am Grat entlang erreicht man schliesslich das Hocheck – den ersten der Watzmanngipfel.

Die einen steigen von hier wieder hinab zum Watzmannhaus und die anderen legen das Klettersteigset an und beginnen die Überschreitung. Wir nutzen das Hocheck für eine kurze Pause und einen kleinen Snack. In der Biwakhütte baue ich die Hosenbeine an und wir steigen in den Klettergurt. Mir ist ein wenig kalt.

Direkt an der Biwakhütte beginnt der versicherte Steig. Um eines gleich vorweg zu nehmen – die Überschreitung ist kein reiner Klettersteig! Eine durchgehende Drahtseilsicherung ist nicht vorhanden und einige ausgesetzte Stellen sind zudem gar nicht versichert.

Auf dem Weg zum Hocheck

Auf dem Weg zum Hocheck

Hier beginnt nun der spannende Teil der Überschreitung. Der Weg hangelt sich den Grat entlang und fast immer hat man einen grandiosen Tiefenblick. Manchmal zum Königssee hinüber und manchmal ins Wimbachgries. An der Ostwand des Watzmann klebt eine dicke weisse Wolke, die einem jedem Blick in die legendäre Wand der Ostalpen verwehrt.

Das Kraxeln macht Spaß, mehr als die stupide Latscherei am Anfang. Wir fühlen uns sicher, so dass wir zu Beginn große Strecken laufen, ohne das Klettersteigset einzuhängen. Wir geniessen den Grat und die tolle Aussicht. Das Wetter scheint stabil zu sein, es gibt keinen Grund zur Eile. Doch hier oben will man bei einem Gewitter garantiert nicht sein.

Auf dem Weg zur Mittelspitze

Auf dem Weg zur Mittelspitze

Bald kommt man auf die Mittelspitze – mit 2713 m der höchste Gipfel des Watzmanns. Doch wir halten uns nicht lange auf, die Südspitze ruft.

Kurz vor der Südspitze

Kurz vor der Südspitze

Der Weg geht noch einmal ordentlich runter, um sich dann zum Finale – der Südspitze – aufzuschwingen. Diese ist nur einen knappen Meter kleiner als die Mittelspitze, aber die markiert das Ende der eigentlichen Überschreitung – hier beginnt sozusagen der Abstieg. Es sind einige Begeher auf der Südspitze und wir alle nutzen den Moment für eine ausgiebige Pause. Es werden Fotos gemacht und es wird Proviant verzehrt. Solange es nicht vorher den frechen Alpendohlen zum Opfer gefallen ist. Von hier oben kann man ganz wunderbar das Wimbachschloß sehen. Ich bin wohl nicht der einzige, dem beim Gedanken an eine Radlermaß das Wasser im Mund zusammen läuft.

Geschafft - Die Südspitze des Watzmann

Geschafft – Die Südspitze des Watzmann

Doch zwischen uns und dem Radler liegt der Abstieg. Und der ist furchtbar…

Gut, mittlerweile hat der Weg in meiner Erinnerung seinen Schrecken etwas verloren, aber jedem potentiellen Überschreitungs-Aspiranten sollte klar sein, dass man auf dem Südgipfel gerade mal die Hälfte des Weges hinter sich hat. Und selbst wenn man plant, in der Wimbachgrieshütte zu nächtigen, liegt ein ordentliches Stück Weg vor einem. Fiese Geröllfelder wechseln sich ab mit steilen Abstiegen, die eine Herausforderung für jedes Knie sind. Zum Glück haben wir die Trekkingstöcke dabei.

Und wenn man glaubt, dass man nun auf einer grünen Wiese läuft und die Schwierigkeiten ein Ende haben, beginnen diese am Ende der Wiese von neuem. Die Schotterlatscherei scheint einfach kein Ende zu nehmen.

Doch irgendwann steht man in einer Art trockenem Flußbett. Zur Schneeschmelze steppt hier wohl der Papst im Neopren, Teilweise geht es nun durch dichten Bewuchs, so dass man sich im Dschungel wähnt.

Und endlich steht man vor der Wimbachgriesshütte. Es ist ungefähr 15:00 Uhr. Die einzig adäquate Größe für ein Radler ist die Maß. Und wir geniessen sie…

Von hier aus sind es nur noch schlappe 10 km bis zum Parkplatz. Also keine Zeit verschwenden.

Apropos Zeit, nach ein paar Kilometern kommt man an besagtem Wimbachschloß vorbei. Wir schauen uns an und sind uns einig, dass für ein weiteres Radler durchaus Zeit ist.

Schliesslich laufen wir an der Wimbachklamm vorbei, die ersten Häuser zeigen sich und schliesslich der Parkplatz. Wir haben es geschafft! Ein Klassiker der Bergtouren liegt hinter uns.

Wir sind gute 24 Kilometer gelaufen und waren dafür knapp 8 Stunden in Bewegung. Circa 6 Stunden Stillstand zeigte das GPS, wobei sich die großen Pausen auf die Südspitze, das Watzmannhaus, die Wimbachgrießhütte und das Wimbachschloß beschränkten.

Die Überschreitung des Watzmann ist eine großartige Tour, die ich jederzeit noch einmal machen würde. Doch sie ist lang, seeeehr lang.

Als wir auf dem Parkplatz ankamen, hatten wir noch ungefähr 20 Minuten Parkzeit auf dem Schein. Gutes Timing, ne?

Vielen Dank Dietmar, dass Du mich auf der Tour begleitet hast und extra aus NRW vorbei gekommen bist.

Zusätzliche Informationen:

Die Aufnahmen der GoPro muss ich noch bearbeiten. Den Film bekommt ihr aber auf jeden Fall zu sehen. Es sind ein paar nette Aufnahmen dabei…

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