Wer diesen Blog regelmässig verfolgt, dem wird eine gewisse Affinität meinerseits zum Laufsport nicht entgangen sein. Ebenso kann ich eine Vorliebe für bergige Gegenden, verrückte Aktionen und schicke Ausrüstung nicht verleugnen. Kein Wunder also, dass mich das Thema Trailrunning enorm fasziniert und anzieht.

Nun hat mich das Schicksal andererseits in eine Gegend verschlagen, wo das Training von Höhenmetern eher aufwändig ist. Wenn ich hier meine Runden drehe, absolviere ich in etwa so viele Höhenmeter wie eine Abtastnadel eines Plattenspielers bei einer Langspielplatte. (Für die Jüngeren unter uns – Plattenspieler waren knarzige elektro-mechanische Musikabspielgeräte Eurer Eltern oder Großeltern, bei denen das Gewicht einer durchschnittlichen Playlist bei ca. einem Zentner gelegen haben dürfte. Doch ich schweife ab…)

Höhenmeter – genau. Wenn ich ein paar Höhenmeter laufen möchte, muss ich erst mal ein paar Kilometer fahren. Macht man auch nicht jeden Tag. Und so ist mein Körper an Laufrunden gewöhnt, die das Streckenprofil eines Cerankochfeldes aufweisen.

Mittlerweile habe ich Spaß daran, auch in fremden Gegenden die Laufschuhe zu schnüren und um geplant oder einfach nur der Nase nach, die Gegend zu erkunden. Im Sommerurlaub stand unser Basecamp ein paar Tage am schönen Königssee und natürlich wollte ich in der Gegend eine Runde laufen. Diesmal war ich vorbereitet und hatte mir eine Strecke ausgesucht, bei der mir Steve von uptothetop.de bestätigte, das diese kurz, knackig, aber genial sein würde. Danke dafür, Steve!

Der Königssee

Der Königssee

Der Plan sah vor, vom Campingplatz an der Königsseer Ache entlang nach Schönau zu laufen und von dort in Richtung Grünstein, dann zur Kühroint Alm und über den Rinnkendl-Steig runter nach St. Bartholomä. Das Wetter war gut, ich motiviert und hatte noch keine Ahnung, was auf mich zukommen würde.

Die Wasserflaschen, eine Jacke und zwei Energieriegel wurden in den Laufrucksack gepackt und die Trekkingstöcke an selbigem befestigt. Dann konnte es losgehen.

Vom Campingplatz geht es erst einmal einen Hang hinunter zum Fluss und dann leicht ansteigend diesem entlang bis zum großen Parkplatz am Königssee. Hier kann man sich sicher sein, in diesem Laufoutfit die ersten mitleidigen Blicke zu ernten. Wie gut, dass dieses Mitleid ganz auf Gegenseitigkeit beruht.

Über die Brücke am Auslauf des Sees geht es nun in Richtung Grünstein. Diesen Weg kenne ich vom Zustieg zum Klettersteig. Und ich habe jetzt schon Angst vor dem steilen Weg. Vielmehr Angst, mich in den Laufklamotten auf dem Weg zu blamieren. Die Steigung zieht langsam an und es passiert, was passieren musste – ich komme jetzt schon aus der Puste. Diese verdammten Höhenmeter! Was für eine bescheuerte Idee, sich anmassen zu wollen, in so einer Gegend eine einigermassen gute Figur beim Laufen zu machen. Aber Abbrechen wäre peinlich und eigentlich auch nicht so mein Ding. Zudem kennt mich hier kein Mensch und wer will mir verbieten, in Laufklamotten auch mal schnell zu wandern. Dass auf meinem Laufshirt groß das Logo meines Blogs prangt, kommt mir da nicht in den Sinn.

Ich verlasse den breiten Fahrweg und biege links in den Wald ein. Zeit, die Trekkingstöcke ihrer Bestimmung zuzuführen. An ein Laufen ist natürlich nicht zu denken angesichts der andauernden Steigung – und sie dauert noch eine ganze Weile an! Doch bin schon recht zügig unterwegs. Die ganze Zeit rede ich mir ein, dass auch Trailrunner nicht die ganze Zeit im Laufschritt unterwegs sind. Und ich hoffe immer noch, dass das stimmt. Wenigstens bin ich derjenige, der überholt. Das wäre ja noch schöner, wenn Wanderer in flottem Schritt an mir vorbeiziehen würden.

Die Zeitangaben auf den Wanderschildern sind eh mit Vorsicht zu geniessen, sprechen aber im Durchschnitt von über einer Stunde bis zum Einstieg zum Klettersteig. Ich bin nach einer halben Stunde da – geht doch. Kletterer, Wanderer und ein verkleideter Trailrunner machen an der Bank gemeinsam Pause und ich tue so, als wüsste ich, was ich da tue.

Von nun an ist der Weg Neuland für mich. Es geht weiter über eine breite, steile Fahrspur durch den Wald.

Plötzlich lichtet sich der Wald, das Gelände wird offener und mir verschlägt es die Sprache. Zum Greifen nah liegt der Watzmann vor mir – mein Lieblingsberg.

Der Watzmann

Der Watzmann

Nun ist es nicht mehr weit bis zur Kühroint Alm, auf dessen unfassbar schönen Terrasse ich mir ein wohlverdientes Radler gönne. Mein Rücken lehnt an dicken Baumstämmen, vor mir rinnt Kondenswasser an der Maß herunter und ich starre auf den Watzmann. Einfach traumhaft!

Nachdem das Glas geleert ist, statte ich der Bergopfer Gedenkkapelle St. Bernhard einen Besuch ab, die direkt neben der Almhütte steht. Hier wird all jener gedacht, die in den Berchtesgadener Alpen beim Bergsport ums Leben gekommen sind. Insbesondere für die Toten der Watzmann Ostwand gibt es ein eigenes Buch und ich muss gestehen, dass ich schon ein wenig ergriffen war, als ich die Seiten durchblätterte. Ich weiss noch genau, wie damals vor unserer Watzmann Überschreitung das bis dato letzte Todesopfer der Ostwand geborgen wurde und per Helikopter über unser Zelt geflogen wurde. Mögen sich diese Seiten in Zukunft nicht weiter füllen!

Die Bergopfer Gedenkkapelle St. Bernhard

Die Bergopfer Gedenkkapelle St. Bernhard

Nach circa einer halben Stunde Pause auf der Kühroint Alm begann nun der zweite Teil des Abenteuers – über den Rinnkendlsteig nach St. Bartholomä. Die gute Nachricht war nun – es sollte primär bergab gehen. Der Weg verschwand wieder im Wald und vorbei war es mit den tollen Aussichten, die einen nur vom Laufen ablenken.

Den Abstecher zur Archenkanzel habe ich natürlich mitgenommen, wer weiss, wann ich hier mal wieder vorbei komme. Munter geht es den schmalen Pfad entlang, über Steine und Wurzeln. Die Pause auf der Alm hat mir gut getan und ich fühle mich wieder frisch. Auch das Radlermaß in meinem Magen stört nicht und verrät mir, dass ich, wie immer, vorher zu wenig getrunken habe.

Bald darauf beginnt der Rinnkendlsteig. Auf schmalem Pfad, teilweise mit Drahtseilen gesichert geht es in Richtung St. Bartholomä. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, während ich schnellen Schrittes die Stufen nehme. Ich beginne zu verstehen, was die Faszination Trailrunning auf „richtigen“ Trails ausmacht. Vergessen ist die elende Schinderei auf der anderen Seite der Kühroint Alm. In jeder Kurve wechseln die Stöcke von einer Seite auf die andere. Manchmal halte ich mich am Seil fest, meistens jedoch nicht. Einige Passagen bin ich schneller durch, als dass ich hätte überlegen können, wo man sich festhalten sollte.

An der Archenkanzel

An der Archenkanzel

Dabei ist der Rinnkendlsteig sicher nicht wirklich einfach. Mir kommen Wanderer entgegen, die sich deutlich verkrampft am Seil hochziehen und andere haben volles Klettersteigzeugs dabei. Die Erwartung und die Wahrnehmung des Steigs fallen also durchaus unterschiedlich aus. Ich fühle mich jedoch pudelwohl und geniesse den Trab bergab. Im unteren Teil kommt mir ein Pärchen entgegen und ich denke bei mir „Irgendwas kommt mir bei denen bekannt vor!“. Richtig! Sie tragen Trinkrucksäcke und haben Laufklamotten an. Sie fragen kurz, wie lange ich runter gebraucht habe und schon sind wir aneinander vorbei. Und das beste – die sind auch nicht im Laufschritt hoch. Tschakka!

Immer wieder mal kann man einen Blick durch die Bäume auf St. Bartholomä erhaschen und nach vielen weiteren Kurven und Stufen und Wurzeln und Stahlstiften komme ich meinem Ziel immer näher. Und dann passiert es – auf einem feuchten Stein rutsche ich aus und lege mich auf den Allerwertesten. Ja super, auf den letzten Metern jetzt auch noch so etwas. Aber ausser einer schmutzigen Hose ist nichts weiter passiert. Muss ich mich halt so in den Biergarten setzen. Wie gesagt, mich kennt hier ja keiner.

Die letzten Meter am Ufer des Sees laufe ich aus und geniesse das Gefühl, etwas für mich Neues erfolgreich durchgezogen zu haben. Für die Strecke von Schönau über die Kühroint Alm nach St. Bartholomä sind in den Wanderführern circa 7 Stunden Zeit vorgesehen. Ich bin inklusive einer halben Stunde Pause nach drei Stunden hier und damit deutlich früher, als ich selbst für möglich gehalten habe. Und so verlängert sich die Wartezeit auf die Familie, die mit dem Boot rüberkommen wollte auf zwei weitere Radler.

Ich denke, ich konnte erahnen, was Trailrunning wirklich ausmacht und habe nun erst recht Bock, mitzuspielen. Auch als Flachländer.