Ich bin gerne im Sauerland, muss aber zugeben, dass ich im Rückblick deutlich öfter im Winter dort war, als zu anderen Jahreszeiten. Zu Unrecht, wie ich nun erfahren durfte.

Im Rahmen des 1. Deutschen Blogger-Wandertages der Top Trails of Germany am 9. Mai 2015 bin ich gefragt worden, ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen und auf dem Rothaarsteig zu wandern. Und nicht nur ich hatte Lust, sondern die ganze Familie!

Mit der Familie auf dem Rothaarsteig

Mit der Familie auf dem Rothaarsteig

Die Vorbereitung

Im Vorfeld tauschten wir uns mit Harald Knoche vom Rothaarsteigverein e.V. über die Route und die Unterkunft aus. Wir bekamen viele Tipps für die Tourplanung mit besonderem Augenmerk auf unsere Kinder. Denn jeder, der selbst Kinder hat, weiss, dass das letzte, was man möchte auf so einer Tour, nölende und gelangweilte Kinder sind. Schlussendlich wurde die Entscheidung über die Route komplett uns überlassen, wobei wir sehr gerne auf die erhaltenen Hinweise zurückgegriffen haben.

Kurzum, es sollte eine Kombination aus Rothaarsteig und Waldskulpturenweg werden, die uns von Schanze nahe Schmallenberg bis nach Bad Berleburg bringen sollte. Laut Karte würden so etwas über 12 Kilometer Strecke zusammenkommen und tendenziell eher bergab gehen – sehr zum Gefallen der Gemahlin.

Rothaarsteig

Rothaarsteig

Die Anreise

Bereits Freitag nachmittag sind wir angereist. Der Rothaarsteigverein hatte uns in der Pension Schütte in Grafschaft eine nette Ferienwohnung gebucht, die wir nach einer von Stau geprägten Anfahrt sogleich beziehen konnten. Die Pension liegt schön an einem Hang gelegen und bietet einen Blick auf die Ortschaft mit dem Kloster. Von einem früheren Besuch in Schmallenberg war uns ein bayrisches Restaurant im Gedächtnis mit sagenhaften Haxen. Dieses gibt es leider nicht mehr, statt dessen residiert ein griechisches Restaurent in den Räumlichkeiten. Das Essen war in Ordnung, erinnern werde ich mich aber dennoch eher an die Haxen.

Der Blogger-Wandertag auf dem Rothaarsteig

Nach einem üppigen Frühstück in der Pension erwartete uns Harald Knoche vom Rothaarsteigverein und wir fuhren nach Schanze. Über Schanze könnte man nun wenig schmeichelhaft sagen, es bestünde aus vier Häusern und sechs Spitzbuben. Der große Parkplatz zeigt jedoch, dass es hier bisweilen auch etwas voller werden kann. In Schanze treffen wir auch Ranger Andreas Vogt mit seinem Hund Anton.

Zunächst einmal klären wir die Herkunft des Ortsnamens und schauen uns die Überreste der mittelalterlichen Grenzbefestigungen bestehend aus verschiedenen, parallelen Gräben an, die früher mit einer undurchdringlichen Hecke bewachsen waren.

Wo kommt der Name "Schanze" her?

Wo kommt der Name „Schanze“ her?

Am Ende von Schanze steht die Rangerstation in die wir kurz einkehren und unsere Jungs sich die Exponate anschauen und Holzsorten erraten können.

Der Kyrill-Pfad

Direkt an der Rangerstation beginnt der Kyrill-Pfad, auf den wir uns schon freuen. Die meisten von uns werden sich sicherlich an den Orkan Kyrill erinnern, der 2007 über Deutschland hinweg zog und eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat. Das Sauerland war besonders betroffen und hier bei Schanze hat man damals einen Teil des zerstörten Waldes so belassen, wie Kyrill ihn hinterlassen und einen Weg hindurch gebaut.

Eingang zum Kyrill-Pfad

Eingang zum Kyrill-Pfad

Der Pfad schlängelt sich circa einen Kilometer teils ebenerdig und teils auf hölzernen Stegen durch ein Gebiet, in dem Kyrill mit hohen Bäumen Mikado gespielt hat. Doch der Pfad ändert sich, hat sich zu ändern. Die Natur hat hier das Zepter übernommen und lässt alte Bäume zerbröseln und neue wachsen. Daher muss der Weg ständig angepasst werden und in ein paar Jahren wird nichts mehr an Kyrill erinnern und der Pfad sicherlich seine Bedeutung verlieren.

Doch noch ist es interessant, die Auswirkungen zu sehen. Bäume liegen zum Teil immer noch kreuz und quer, anhand ausgerissener Wurzeln sieht man, dass diese gar nicht so tief im Erdreich verankert waren. Harald und Andreas erzählen einiges von den Auswirkungen des Orkans, die man nicht mehr sehen kann. Vom wirtschaftlichen Schaden für die Waldbauern und der Gefährlichkeit der Aufräumarbeiten.

Überall wächst junges Grün nach. Die jungen Bäume sind zum Teil mannshoch und bekommen nun natürlich ordentlich Licht und Nährstoffe. Man kann sich gut vorstellen, wie das Gelände in nicht allzu ferner Zukunft überwachsen sein wird und Kyrill nur noch erahnen lässt. Besonders deutlich wird dies von einem Ausguck. Von hier hat man einen direkten Vergleich zwischen der Fläche des Kyrill-Pfades, wo die Natur sich selbst überlassen wird und einem bewirtschaftetem Gebiet, in dem Totholz entfernt wurde. Deutlich ist zu erkennen, dass in letzterem die Natur wesentlich zurückhaltender ist.

Auf dem Kyrill-Pfad

Auf dem Kyrill-Pfad

Der Waldskulpturenweg und Rothaarsteig

Wir gehen weiter auf dem Waldskulpturenweg in südöstlicher Richtung. Als Kulturbanause war ich im Vorfeld ein wenig skeptisch, ob mich die Kunstwerke mitten im Wald ansprechen würden. Doch zu meiner Überraschung stellen die Objekte eine willkommene Abwechslung auf der Wanderung dar. Zunächst kommen wir am Krummstab vorbei. Was auf den ersten Blick wie ein junger Farn aussieht, entpuppt sich als bischöflicher Krummstab. Die aus 2,6 Tonnen Aluminium bestehende Skulptur trägt das Luther Zitat „Eine allzu große Macht stürzt durch ihre eigene Masse“.

Einen guten Kilometer weiter trifft der Waldskulpturenweg auf den Rothaarsteig bzw. Grenzweg. Auf diesem Abschnitt folgt man einem Höhenweg, der – wie der Name vermuten lässt – das Schmallenberger Sauerland von Siegen-Wittgenstein trennt. Wie wir später noch erfahren, trennen diese beiden Gebiete nicht nur der Grenzweg, sondern auch unterschiedliche Dialekte.

Harald vom Rothaarsteigverein muss uns an dieser Stelle leider schon verlassen und kehrt nach Schanze zurück. Wir halten uns an der Kreuzung rechts und folgen dem Rothaarsteig auf dem Grenzweg.

Die Wanderung ist sehr kurzweilig, da Ranger Andreas immer wieder Geschichten zu erzählen weiss und auf Besonderheiten am Wegesrand hinweist. Und seien es nur die essbaren Pflanzen, die man hier so finden kann. Die Jungs haben einen riesigen Spaß dabei, Brennnesseln, Löwenzahn und Sauerklee zu probieren. Der Favorit steht ziemlich schnell fest – der Sauerklee macht seinem Namen alle Ehre. Fortan sehen die Kinder in jeder Wiese ein unermessliches all-you-can-eat Buffet.

Wir lernen viel von Ranger Andreas

Wir lernen viel von Ranger Andreas

Der Weg selbst ist angenehm zu laufen. Abschnitte im Wald werden von Ausblicken in die Umgebung abgelöst. Ein Waldkoller ist nicht zu erwarten. Und wie der Gemahlin versprochen, halten sich die Anstiege in Grenzen.

An der Skulptur „Kein leichtes Spiel“, welches sich mit der Grenzsituation zwischen dem Wittgensteiner und dem Sauerland auseinandersetzt, machen wir kurz Pause. Rangerhund Anton fährt total auf die leckeren Leberwurstbrote ab, die ich im Rucksack habe, von denen er jedoch nichts bekommt. Für den Rest der Wanderung muss ich wohl aufpassen, dass Anton nicht mit meinem Rucksack stiften geht oder selbst im Hauptfach sitzt.

Rangerhund Anton steht auf Leberwurst

Rangerhund Anton steht auf Leberwurst

Kurze Zeit später zieht sich der Wald zurück und gibt den Blick auf ein Tal frei, dass von saftigen grünen Wiesen mit vielen gelben Sprenkeln geprägt ist. Und in Sichtweite das Kühhude Café, der ersten und einzigen Einkehrmöglichkeit auf unserem Weg. Derlei Möglichkeiten lösen bei unseren Kindern immer spontane Hunger- und Durst-Attacken aus und auch uns steht der Sinn jetzt nach einem Kaffee. Die Kühhude ist ein ehemaliges 300 Jahre altes Kanongut, was bedeutet, dass die Bewohner – die Kanonisten – lediglich den Erbzins zahlen mussten. Von anderen Abgaben waren sie befreit, mussten dafür aber als Wächter ein Auge auf den Grundbesitz haben. Das Café selbst befindet sich im Gebäude einer der ersten Jugendherbergen in Deutschland (eröffnet 1912) und wurde 2005 eröffnet. Wir geniessen leckeren Kaffee und Eisbecher auf der Terrasse, bis uns stärker werdender Regen doch in den Gastraum verscheucht. Doch dieser Regen hört auf, sobald wir drinnen sitzen.

Rast im Kühhude Café

Rast im Kühhude Café

Weiter geht es zur Hängebrücke, dafür müssen wir an der Skulptur „Stein-Zeit-Mensch“ nach rechts abbiegen und ein Stückchen dem Rothaarsteig folgen. Ängstlichen Naturen sei hier versichert, dass die Hängebrücke kein Muss ist, sondern auch ganz gemütlich umgangen werden kann. Die Kinder stürzen sich natürlich gleich auf die Brücke und bringen diese ordentlich zum Schaukeln. Zurück an der Skulptur muss ich sagen, dass mir diese hier von den bisher gesehenen, am besten gefällt. Der 150 Tonnen schwere Granitblock sieht einfach gewaltig aus und mit der Rahmung durch die mächtigen Douglasienstämme entsteht in der Tat der Eindruck einer Kultstätte.

Die Skulptur "Stein-Zeit-Mensch"

Die Skulptur „Stein-Zeit-Mensch“

Nun verlassen wir auch schon den Rothaarsteig und folgen dem Waldskulpturenweg nach Bad Berleburg. Harald hatte schon angekündigt, dass die Ablenkungen auf dem kommenden Abschnitt weniger werden würden und von nun an das Wandern im Vordergrund stehen würde. Dafür würden wir nun ein Gebiet durchqueren, in dem freilaufende Wisente leben und mit viel Glück gesehen werden können. Dieses Glück haben wir leider nicht, dafür ist der Weg aber auch alles andere als langweilig. Immer wieder ändert sich die Perspektive und erlaubt auch mal ein paar Fernblicke zwischendurch. Und die Jungs versuchen das von Andreas gelernte umzusetzen.

Wegweiser am Rothaarsteig

Wegweiser am Rothaarsteig

Die nächste Skulptur kann man nur erahnen. „Der Falke“ ist nämlich nur aus der Luft zu erkennen, da seine Silhouette aus Erdwällen geformt und mit einheimischen Bäumen bepflanzt wurde. Diese haben mittlerweile eine stattliche Größe erreicht.

Bis zur nächsten Skulptur hat man nun ein wenig Zeit, sich auf den Wanderweg zu konzentrieren, der immer noch gemütlich, aber abwechslungsreich gen Bad Berleburg führt. Aber sehen kann man die Skulptur „Grünhaus“ schon von weitem. Weitere Stürme und Forstarbeiten haben den Blick freigegeben auf die hüttenartige Konstruktion.

Auf dem Waldskulpturenweg

Auf dem Waldskulpturenweg

Kurz vor Bad Berleburg taucht auf der linken Seite die letzte Skulptur auf – „Was war zuerst“. Zu sehen ist ein riesiges, mit Blattgold überzogenes Ei. Mittlerweile hat das Ei schon eine gewisse Patina angesetzt, aber bei strahlendem Sonnenschein kann ich mir gut vorstellen, dass immer noch eine gewisse Ausstrahlung von der Installation ausgeht. Hinter dem Ei kann man schon den Endpunkt unserer Wanderung – den Ort Bad Berleburg – sehen. Ein kurzer Anruf von Andreas und unser Rücktransport nach Schanze kommt uns entgegen. Im Bus werden die Jungs ganz ruhig und ich bin überzeugt, dass sie die kommende Nacht recht gut schlafen werden.

Fazit

Der beschriebene Abschnitt eignet sich hervorragend für eine Familienwanderung, da insbesondere der Nachwuchs immer wieder etwas neues entdecken kann und es verschieden Zwischenziele in Form der Skulpturen gibt. Die Länge der Strecke hält sich mit gut 12 Kilometern auch in Grenzen und die Steigungen halten sich in Grenzen.

Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal für die nette Begleitung und Organisation durch Harald Knoche vom Rothaarsteigverein e.V. und Ranger Andreas Vogt!

Unterhalb des Grünhauses

Unterhalb des Grünhauses

Wir sind vom Rothaarsteigverein e.V. zu dieser Wanderung eingeladen worden, der die Kosten für die Unterkunft, den Rücktransport und die Rangerbegleitung übernommen hat. Vielen Dank dafür!